Hauptburgenname
Scheibbs
ID
1069
Objekt
Schloss
Adresse
A-3270 Scheibbs, Rathausplatz 5
KG
Scheibbs
OG/MG/SG
Scheibbs
VB
Scheibbs
BMN34 rechts
663199
BMN34 hoch
319143
UTM 33N rechts
512612.23
UTM 33N hoch
5316864.04
Link auf NÖ-Atlas
Lage auf Karte im NÖ-Atlas ...
Zufahrt
PKW: Die A 1 bei Ybbs verlassen und über die B 25 südl. ca. 25 km bis Scheibbs fahren. Das Schloss liegt neben der Pfarrkirche am südl. Rand des Stadtkerns. RAD: Scheibbs liegt direkt am „Ötscherlandweg" (Ybbs–Lunz am See).
Geschichte
1160 erscheint der Peilsteiner Gefolgsmann „Otto de Schibis". Besitznachfolger der Peilsteiner sind 1218 auch hier die Babenberger. Unter den habsburgischen Landesfürsten kommt 1338 der Markt Scheibbs an die Kartause Gaming. Friedrich der Häusler erwirbt 1342 „das halbe Haus zu Scheibbs" von Weichard dem Plankensteiner, die andere Hälfte gehört zu dieser Zeit noch dessen Schwager Wernhard dem Schafferfelder. 1349 verkauft Friedrich der Häusler die Burg dem Landesfürsten, der sie der Kartause Gaming schenkt. Bis zur Aufhebung des Klosters 1782 ist die Burg Verwaltungssitz des Gaminger Amtes Scheibbs, was insofern bemerkenswert ist, als die Kartäuser sonst keine Befestigungen auf ihren Territorien duldeten. 1595 und 1597 wird der Prior von Gaming während der Aufstände der Bürger und Bauern in der Burg gefangen gesetzt. 1782 kommt das Schloss nach der Aufhebung des Klosters an die k.k. Güterdirektion. 1826 geht es an die Fam. Müller, weitere Besitzer sind die Fam. Sallaba, Töpper, Musil, Hamburger, Schöller und Greinert. Heute ist das Schloss im Eigentum des Landes Niederösterreich und Sitz der Bezirkshauptmannschaft, des Bezirksschulrats und des Bezirksgerichts.
Text
M.K., G.R.
Lage/Baubeschreibung
Die ehem. Burg von Scheibbs, heute ein stattliches Schloss, liegt in der SO-Ecke des befestigten Altstadtgebiets. Hier ist entgegen den an der Erlauf bzw. entlang der Hauptstraße gelegenen Teilen der Stadt ein günstiger Hochpunkt vorhanden, in dessen Zentrum der heutige Rathausplatz liegt und der entlang der S-Front der Stadtmauer von der Burg, von der Pfarrkirche und vom Pfarrhof besetzt wird. An dieser Seite isoliert der natürliche Einschnitt des Schöllgrabens das Stadtgebiet, während an der O-Seite ein mäßig steigendes Vorfeld vorhanden war, das wohl die Anlage eines künstlichen, heute verschwundenen Grabens erforderte. Das heutige Schloss ist eine nahezu quadratische, beinahe kastellhafte Anlage von durchschnittlich 53 m Seitenlänge, deren O- und S-Fronten dem Verlauf der ehem. Stadtmauer folgen. Der östl. und südl. vorgelagerte Zwinger, der mit schlanken Rundtürmen verstärkt war, bildete im Vorfeld der Burg gleichzeitig deren Zwinger, der im Verlauf gegen W auch die Pfarrkirche umfasste. Entsprechend der Nutzung ist das Schloss heute in bestem baulichen Zustand, für die Bauforschung bedeutet dies jedoch ungünstige Voraussetzungen, denn Einblicke in die Mauertechniken oder ähnliche Befunde sind kaum vorhanden. Eine Untersuchung muss sich deshalb großteils auf das bauliche Gefüge und punktuelle architektonische Details stützen, wozu die Aufnahme von Klaar hilfreich herangezogen werden kann. Der etwa quadratische Innenhof wird allseitig von randständigen, fast ausschließlich 2-gesch., 7–11 m tiefen Trakten umgeben. Am Schnittpunkt von N- und O-Trakt ragt ein quadratischer, 23 m hoher Turm über die Dächer. Der relativ schlanke, nur 7,20 m Seitenlänge messende Turm ist heute 6-gesch., die beiden unteren Geschoße sind in die genutzten Zonen integriert. Ab dem 2. Obergeschoß, das vom Dachboden über eine spitzbogige Tür zugänglich ist, zeigt sich der Bau noch urspr. und ist nur durch schmale konische Lichtscharten erhellt. Der von Klaar verzeichnete Treppenlauf in der N-Mauer wurde verm. vermauert. Neuzeitlich ist lediglich das oberste Geschoß, eine Ebene tiefer sind sternförmig durch die Mauern laufende Balkenkanäle zu beobachten, die auf einen außen umlaufenden hölzernen Wehrgang weisen. Das im Inneren über große Flächen sichtbare kleinteilige Bruchsteinmauerwerk, das als Zwickelmaterial zahlreiche Dachziegel verwendet, legt zusammen mit den Detailformen eine Datierung im 14. Jh. nahe. An der S-Seite zeichnet sich bereits im Grundriss ein 47 m langer und 10,50 m breiter Bau ab, der hofseitig noch mehrere got. Fensteröffnungen besitzt. An der östl. und südl. Feldseite zeigt sich eine Reihe liegend angeordneter Fenster mit stark abgefasten Gewänden. Im Dachboden ist die später vom W-Trakt überbaute östl. Giebelmauer des Baus erhalten. Die z. T. in den Dachboden ragende Hofmauer zeigt ein lagerhaftes, mit kleinen Steinen ausgezwickeltes Bruchsteinmauerwerk, die Giebelmauer ist ähnlich wie der Turm mit Dachziegeln ausgezwickelt. Dem östl. Abschnitt ist hofseitig ein kleiner quadratischer Erschließungsbau mit got. Portal vorgestellt. Im Obergeschoß besitzt er ein zartes, auf kegeligen Basen ruhendes polychromiertes Kreuzrippengewölbe mit Scheibenschlussstein, das eine Datierung im 14. Jh. zulässt. Östl. davon lag die hofseitig angebaute, nur noch im Grundriss fassbare Kapelle, deren schlankes Schiff die Breite des Anbaus aufnimmt und deren nur in Resten erhaltener Polygonalchor vor den östl. Bering tritt. Aufgrund dieser Situation lässt sich eine quadratische Anlage mit nordöstl. Bergfried und südl. eingespanntem Wohn- und Repräsentativbau mit Portikus und angebauter Kapelle erschließen, wobei besonders auf die für den Wohnbau und die Kapelle (bzw. deren Empore) vorgesehene gemeinsame Zugangssituation hinzuweisen ist. Der urspr. Bering ist im N, O und S vollständig erhalten, der westl. Verlauf erscheint unklar, dürfte jedoch – nach der Lage der Giebelmauer – mit der Hofmauer des W-Traktes korrespondieren. Die Errichtung erfolgte mglw. nach der Übernahme durch das Kloster Gaming 1349, m. V. in Zusammenhang mit der ldfl. Erlaubnis zur Befestigung der Stadt 1352. Ob die Bezeichnung „Gemäuer" auf eine zurückliegende Verödung weist, bleibt lediglich Hypothese. Ab dem späten Mittelalter ist mit einer verdichtenden Verbauung der Beringfronten zu rechnen. Ob der mit einer Mittelflurlösung ausgestattete N-Trakt nach einer angebrachten Inschrift zumindest tlw. 1471 errichtet wurde, bleibt jedoch unbekannt. Ein im O-Trakt nördl. eingebauter Raum, dessen Kreuzgratgewölbe auf 2 kräftigen Rundsäulen ruht, könnte in die Zeit um 1500 bzw. das frühe 16. Jh. datieren und m. V. auf die Bauzeit des gesamten Traktes weisen. Um 1600 wurde ein umfassender Gesamtumbau begonnen. Diesem gehörte der Neubau des schmalen W-Trakts und die Errichtung der diesem und dem S-Trakt vorgeblendeten 2-gesch. Arkadengänge an. Verm. griff er aber auch in die Binnenstrukturen ein. Dieser Zeit ist verm. auch die ehem. flankenartige Toranlage im NW zuzuweisen, die von einem dem W-Trakt aufgesetzten Renaissanceerker betont wurde. Als Gegenpol wurde dem vor die urspr. Baulinien tretenden SW-Trakt ein kleiner Polygonalturm aufgesetzt, der durch die sekundäre Aufstockung des Traktes an Wirkung verlor. Das Hauptportal des N-Traktes, dessen diamantierte Pilaster ein kräftiges Gesimse mit Volutengiebel tragen, ist bezeichnet mit „1611" und markiert wohl einen wesentlichen Punkt dieser Bauphase. Die darüber angebrachte Sonnenuhr nennt die Jahreszahl „1731". Das Innere ist heute nutzungsgerecht adaptiert, die Räume zeigen jedoch weitgehend Gewölbekonstruktionen der Bauzeit um 1600 bzw. des frühen 17. Jhs., im Obergeschoß sind zumeist flache Deckenlösungen vorhanden, die einst zur Repräsentation genutzten Räume des N- und W-Traktes besitzen hingegen stuckierte und z. T. mit Malereien versehene Deckenlösungen der Zeit um 1720/30. Hervorzuheben ist der kleine Sitzungssaal im W-Trakt mit stuckgerahmten, „1723" datierten Deckenmalereien. Nur wenige Fenster- bzw. Türöffnungen zeigen einfache Profilierungen des 17./18. Jhs., die meisten der z. T. sehr unregelmäßig angebrachten Fenster dürften dem 19. Jh. entstammen. E. d. 19. Jhs. (um 1870/80) wurde auch die Toranlage im NW durch eine schräg zum Rathausplatz gewandte Front ersetzt, die eine im klassizistischen Stil ausgebildete, später erneuerte Fassadengliederung besitzt. Darüber hinaus präsentiert sich der gesamte Bau relativ nüchtern und einheitlich weiß verputzt, lediglich die pastellfarbigen Fassungen der Arkaden und einiger weiterer Elemente bieten sparsame Akzente. Im Zentrum des Hofs liegt unter einer Gruppe alter Linden ein Brunnen, der den Gaminger Wappenlöwen trägt.
Text
G.R.
Erhaltungszustand/Begehbarkeit
Bestens gepflegte Schlossanlage, Hof öffentlich zugänglich.
Touristische Infrastruktur
Mehrere Parkplätze liegen im Stadtgebiet, sind jedoch z. T. Kurzparkzone. Empfehlenswerterweise am Stadtrand parken, von wo das Schloss im Zuge eines Stadtrundgangs besucht werden kann. Das Innere des als Verwaltungsgebäude genutzten Schlosses ist in der Regel nicht zu besichtigen. Es bietet sich jedoch ein äußerer Rundgang und der während der Amtszeiten geöffnete, sehr malerische Hof an, um einige interessante Einblicke zu gewinnen.
Gasthäuser
Cafe-Rest. "Zum Schwarzen Elefanten" in Scheibbs, GH "Scheibbserhof", GH "Amtsbeisel" in Scheibbs.
Literatur
- Georg Binder, Die Niederösterreichischen Burgen und Schlösser (2 Bde.). Wien–Leipzig 1925 I, 139 f.
- Marina Kaltenegger, Thomas Kühtreiber, Gerhard Reichhalter, Patrick Schicht, Herwig Weigl, Burgen Mostviertel (hg. v. Falko Daim). Wien 2007, 243 ff.
- Rudolf Büttner, Burgen und Schlösser zwischen Araburg und Gresten. Niederösterreichs Burgen und Schlösser II/3 (Birken-Reihe), Wien 1975, 130 ff.
- Anton Dachler, Befestigung mittelalterlicher Städte und Märkte in Niederösterreich mit Ausnahme der Stadt Wien. Berichte und Mitteilungen des Altertums-Vereines zu Wien 49, Wien 1916, 21–54, 48
- Dehio Niederösterreich, südlich der Donau (hg. v. Bundesdenkmalamt), 2 Bde. Horn–Wien 2003, 2099 ff., 2106 ff.
- Karl Lechner (Hg.), Handbuch der Historischen Stätten Österreich 1, Donauländer und Burgenland. Stuttgart ²1985, 526 ff.
- Heinrich Weigl, Historisches Ortsnamenbuch von Niederösterreich (Reihe A), Band I–VII, Wien 1964–1975. – Fritz Eheim, Max Weltin, Historisches Ortsnamenbuch von Niederösterreich (Reihe A). Ergänzungen und Berichtigungen, Band VIII, Wien 1981 VI und VIII, S 73
- Heinrich Jelinek, Stadt Scheibbs. Festschrift zur 600-Jahrfeier der Stadterhebung. Scheibbs 1952, 17 ff.
- Herbert Pöchhacker, Burgen und Herrensitze im Bezirk Scheibbs in der Zeit von 1000 bis 1500. Heimatkunde des Bezirkes Scheibbs Bd. 5, Scheibbs 1986, 230 f.
- Herbert Pöchhacker, Die Entstehung von Burg, Kirche und Ort Scheibbs. Heimatkundliche Beilage zum Amtsblatt der Bezirkshauptmannschaft Scheibbs 1982/12, 45–48; 1983/1, 1–3