Hauptburgenname
Sichtenberg
ID
1112
Objekt
Burgruine
KG
Schollach
OG/MG/SG
Schollach
VB
Melk
BMN34 rechts
678805
BMN34 hoch
337874
UTM 33N rechts
527884.22
UTM 33N hoch
5335853.44
Link auf NÖ-Atlas
Lage auf Karte im NÖ-Atlas ...
Zufahrt
PKW: In Loosdorf von der B 1 Richtung Groß-Schollach abzweigen. Der Zustieg beginnt oberhalb des letzten Hauses am südl. Ortsende. RAD: In Loosdorf vom "Pielachtalweg" südl., ca. 5 km, nach Groß-Schollach abzweigen.
Geschichte
1147 erscheint eine adelige Familie, die sich nach Sichtenberg nennt und zur Klientel der Gfn. v. Burghausen-Schala gehört. 1165 sind „Odalricus de Sihtenberch“ und „Ulricus iuveni de Sihtenberch“ genannt (SUB I, Nr. 83). Ein „Ulricus senior de Sichtenberch“ erscheint 1200 unter den Ministerialen des Gfn. Friedrich v. Peilstein (UB St. Pölten I, 31). Zuletzt wird Ulrich v. Sichtenberg 1229 zusammen mit ehem. schala-peilsteinischen Ministerialen erwähnt. Vermutlich waren die Genannten von Sichtenberg – Radl – Kilb – Hülb und St. Veit an der Gölsen eng miteinander versippt (Weltin), aus ihrem Personenkreis gingen wahrscheinlich die seit der 2. H. d. 13. Jhs. nachweisbaren Redler hervor. Diese sitzen hier 1282–1540, ihre Mitglieder nennen sich nach ihren regional verbreiteten Besitzungen, darunter Grub, Ödhof, Thonach und Ranzenbach. 1377 wird eine Achatiuskapelle in der Burg – "sand Achacn chapellen in unserr vest dacz Sichtenberch" – genannt (UB St. Pölten II, Nr. 711). Später ist die Hft. im Lehensbesitz des Ernreich Marschall v. Reichenau. 1596 gehört die Burg Hans Wilhelm v. Losenstein, 1641 den Stubenberg und den Kletzl. 1672 zeichnet Vischer die Burg nicht mehr, sie war verm. bereits Ruine.
Text
M.K., G.R.
Lage/Baubeschreibung
Die im Stadium fortschreitenden Verfalls stehende Burganlage liegt rund 0,5 km südwestl. des Dorfkerns von Groß-Schollach auf einem gegen NW vorspringenden bewaldeten Sporn. Die Lagestelle hängt mit einem W-O-verlaufenden, 312 m hohen Rücken zusammen, auf dem bereits eine prähistorische Befestigung nachgewiesen werden konnte und der eine nördl. Rückfallkuppe des Weidabergs (Kote 413) bildet. Die gegenüber dem Hiesberg situierte Lagestelle engt das Tal des Roggenbaches an seinem Austritt in die Pielachebene ein und zwingt Bach und Straße zu einer jähen Kurve. Der eigentliche Burghügel, der talseitig mit bewaldeten Steilhängen abfällt, liegt nordwestl. der 260 x 150 m großen prähistorischen Siedlungsfläche, von der er durch einen ungewöhnlich tiefen, die gesamte Spornbreite abriegelnden Halsgraben getrennt ist. Vor diesem Graben liegt ein etwa 50 m langes und 20 m breites, bogenförmig dem Graben folgendes Plateau, das wohl bereits als Vorwerk, mglw. als Wirtschaftsfläche der mittelalterlichen Burg zu sehen ist und das durch einen nur mäßig tief ausgebauten Graben vom südöstl. Vorgelände getrennt war. Die nur durchschnittlich ausgedehnte Burganlage benutzt eine Fläche von etwa 40 x 40 m und gliedert sich im Wesentlichen in eine Kernburg und eine auf einer südwestl. Terrasse angegliederte Vorburg. Der bereits starke Verfall und der Bewuchs verhindern sowohl einen Überblick als auch eine eingehende Rekonstruktion des Grundrisses. Der Bering der Kernburg ist nur fragmentarisch erhalten bzw. in seinem Verlauf verfolgbar, auf dieser Basis ist eine rund 39 m lange und 25 m breite, SO-NW-orientierte Anlage zu erschließen. Die grabenseitigen Abschnitte des nicht besonders mächtigen, nur knapp über 1,00 m starken Berings sind relativ geradlinig und orthogonal geführt, gegen die nordwestl. Talseite ist er zunehmend polygonal ausgebildet. Im Zentrum der grabenseitigen SO-Front ist der einst wohl quadratische Bergfried eingebunden. Der durchschnittlich 7,50 m Seitenlänge messende Turm zeigt sich mit 2,20 m Mauerstärke mäßig dimensioniert, seine S-Seite ist seit Längerem eingestürzt und bildet eine mit Mauertrümmern durchsetzte Schutthalde am Fuß des Hügels. Aufgrund eines aktuellen Aufmaßplans kann entlang der SW-Seite des Berings ein rund 30 m langer und bis zu 9 m breiter Baukörper rekonstruiert werden, der wohl als ehem. Palas angesprochen werden kann. Der durch eine zentral angelegte Tür hofseitig erschlossene Bau setzte verm. an der W-Ecke des Turms an und folgte im NW der Abwinkelung des Berings. Daran anschließend lag im äußersten W des Berings die ehem. Toranlage, deren Situierung dazu zwang, zunächst die gesamte SW-Front zu passieren. Die geringen Reste lassen auf einen Torbau schließen, dessen Hofseite gegenüber dem Palas zurücksprang. Der nordöstl. des Palas gelegene Hof wurde später für weitere Gebäude genutzt, wobei nicht nur die NW- und NO-Front des Berings randständig verbaut wurde, sondern auch die zentrale Hoffläche eine an den Palas anschließende Bebauung erhielt und mglw. auch der Hof in Abschnitte unterteilt wurde. Von diesen Gebäuden sind meist nur niedere Mauerreste und Schutthügel vorhanden, sodass eine Rekonstruktion oder funktionale Ansprache offen bleiben muss. Das lagerhafte Bruchsteinmauerwerk des Turms lässt sich frühestens in die 2. H. d. 13. Jhs. stellen, da die anschließenden Teile des Berings verzahnen, ist eine gleichzeitige Errichtung wesentlicher Teile der Burg anzunehmen. Das kleinteiligere Mauerwerk des Palas ist mglw. geringfügig später einzuordnen, wobei zumindest im Bereich des Torbaus von einer Mehrphasigkeit und nach Mauerwerksbefunden von Bautätigkeiten bzw. Veränderungen bis zum frühen 14. Jh. auszugehen ist. Die Bebauung des Hofes ist hingegen nur sehr weitgespannt in das 14./15. Jh. zu datieren. Eine südwestl. vorgelagerte Terrasse konnte für eine zwingerartige Vorburg genutzt werden. Das nunmehrige erste Tor lag an der SO-Seite, wo man noch heute die Anlage betritt und es durch einen ehem. Rundturm, erhalten in geringen Resten, gesichert werden konnte. Ein etwas kleinerer Rundturm im W der Vorburg besaß ein weiteres Tor, das den unmittelbaren Zugang zur älteren Toranlage der Kernburg sicherte. Bei der Errichtung des Rundturms wurde mglw. auch der ältere Torbau verändert und durch einen bastionsförmig vorspringenden Beringabschnitt ergänzt. Die beide Rundtürme verbindende Mauer der Vorburg ist im westl. Abschnitt trotz der geringen Mauerstärke von 0,56 m in erstaunlicher Höhe erhalten. Durch das ausgeprägte Zwickelmauerwerk ist die Vorburg in das späte 15. Jh. zu datieren. Den letzten Bautätigkeiten gehört ein vor den nordöstl. Bering der Kernburg tretender Wohnbau an. Der etwa 8 x 5 m große, fast an den Halsgraben gerückte Bau diente wohl zur Vergrößerung der Wohnfläche eines hofseitigen Gebäudes. Die z. T. noch 3-gesch. Reste zeigen bereits große Fensteröffnungen und die profilierten Anwölber von Stichkappengewölben. Die Errichtung erfolgte nach dem Mischmauerwerk wohl um M. d. 16. Jhs.
Text
G.R.
Erhaltungszustand/Begehbarkeit
Burgruine, frei zugänglich.
Touristische Infrastruktur
Beschränkte Parkmöglichkeiten am südl. Ortsende, am Beginn des Zustiegs. 15 Min. steiler, unbeschilderter Fußweg. Die stark verfallene Burgruine mit tlw. noch ansehnlichen Mauerresten ist ganzjährig frei zugänglich, das naturbelassene, ungesicherte Gelände erfordert jedoch ein Mindestmaß an Trittsicherheit. Wegen des starken Bewuchses wird ein Besuch im Frühling oder Herbst empfohlen.
Gasthäuser
GH Groissenberger in Groß Schollach, GH Jäger in Anzendorf, GH Temper in Maria Steinparz, GH Falkensteiner in Roggendorf.
Literatur
- Georg Binder, Die Niederösterreichischen Burgen und Schlösser (2 Bde.). Wien–Leipzig 1925 I, 131
- Marina Kaltenegger, Thomas Kühtreiber, Gerhard Reichhalter, Patrick Schicht, Herwig Weigl, Burgen Mostviertel (hg. v. Falko Daim). Wien 2007, 256 ff.
- Rudolf Büttner, Burgen und Schlösser Dunkelsteinerwald. Niederösterreichs Burgen und Schlösser II/2 (Birken-Reihe), Wien 1973, 168 f.
- Dehio Niederösterreich, südlich der Donau (hg. v. Bundesdenkmalamt), 2 Bde. Horn–Wien 2003, 608
- Gerhard Floßmann, Der Bezirk Melk – Herzstück Niederösterreichs. Band II einer Bezirkskunde. Melk 1994, 58 f.
- Heinrich Weigl, Historisches Ortsnamenbuch von Niederösterreich (Reihe A), Band I–VII, Wien 1964–1975. – Fritz Eheim, Max Weltin, Historisches Ortsnamenbuch von Niederösterreich (Reihe A). Ergänzungen und Berichtigungen, Band VIII, Wien 1981 VI und VIII, S 305
- nöla. Mitteilungen aus dem Niederösterreichischen Landesarchiv (Wien, St. Pölten 1977 ff.) 9, 29 ff.
- Otto Piper, Österreichische Burgen (8 Bde.). Reprint der Originalausgabe von 1902–1910. Wien 2002 VI, 201 f.
- Herbert Pöchhacker, Burgen im Bezirk Melk. Ungedrucktes Manuskript. Scheibbs o. J. (1990)
- Rudolf Schierer, Die Burgherren zu Sichtenberg. Die Rädler in Österreich. Weinburg 1988
- Ilse Schöndorfer, Steine und Sagen. Burgruinen in Niederösterreich. St. Pölten–Wien 1999, 143
- Hermann Schwammenhöfer, Archäologische Denkmale II. Viertel ober dem Wienerwald. Wien o. J. (1988), Nr. 37
- Wüstungsarchiv der Österreichischen Gesellschaft für Mittelalterarchäologie. URL http://www.univie.ac.at/wuestungsforschung/archiv.htm (Kurt Bors, Stand: 2008), Nr. 1651,10