Hauptburgenname
Schrattenthal
ID
118
Objekt
Burg-Schloss
Adresse
A-2073 Schrattenthal, Schloss Schrattenthal 1
KG
Schrattenthal
OG/MG/SG
Schrattenthal
VB
Hollabrunn
BMN34 rechts
718595
BMN34 hoch
397485
UTM 33N rechts
0
UTM 33N hoch
0
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Zufahrt
PKW: An der B 35 zwischen Pulkau und Retz nach Schrattenthal abzweigen. Der Zugang zum Burgbereich liegt am S-Ende der Stadt. RAD: Vom "Weinviertelweg" oder vom "Retzerland-Weg" bieten sich zwischen Pulkau und Retz mehrfach Möglichkeiten, die wenigen km nach Schrattenthal abzuzweigen.
Geschichte
Schrattenthal wird urk. 1220, anlässlich einer Schenkung des Konrad Gf. v. Hardegg, erstmals genannt. 1245 erscheint "Drusigerus de Schretental", Truchseß Hzg. Friedrichs II. 1290 ist ein Fuchs von Schrattenthal genannt, 1306 ist nach dem HONB ein Genannter "von Schraetental" nachweisbar. Beide sind wohl jenen während des 13. und 14. Jhs. nachweisbaren Lehensträgern des Landesfürsten zuzurechnen. 1382 gelangt die Herrschaft im Kaufweg an die Gfn. v. Maidburg-Hardegg. 1420 erscheint das "haws Schretental" in einer Hardegger Urkunde. 1434 kommt Schrattenthal durch Kauf an Ulrich v. Eitzing. Durch eine äußerst extensive Macht- und Herrschaftspolitik erwirbt die rittermäßige Familie der Eitzinger höchste Hofämter und gelangt zu entsprechender Finanzkraft. Unter Ulrich erhält der Ort 1438 das Marktrecht. Ab 1448 ist die Herrschaft freies Eigen der Eitzinger, die in der Folge Stadt und Burg planmäßig ausbauen und befestigen. Der Plan, Schrattenthal als Herrschaftszentrum und Sitz einer freiherrlichen Hofhaltung auszubauen, kann nach dem Tod Ulrichs v. Eitzing im Jahr 1460 auch unter seinen Nachfolgern nicht im geplanten Maß realisiert werden, was wohl nicht zuletzt eine Folge der auch gegen den Landesfürsten gerichteten Eingriffe Ulrichs in die innenpolitischen Auseinandersetzungen jener Zeit war. 1472 erhält der Ort schließlich das Stadtrecht. 1620 wird Schrattenthal den protestantischen Eitzingern jedoch entzogen. 1621–1660 folgen die Gfn. Strozzi, während dieser Zeit, 1645, ist die Stadt Hauptquartier des schwedischen Feldherrn Torstenson. Von 1660–1734 ist Schrattenthal im Besitz der Frhn. Putz v. Adlersthurm, unter diesen erfährt das Schloss um 1719 den Barockumbau. 1783 zerstört ein Brand weite Teile der Stadt, in der Folge werden die Wehranlagen aufgegeben und tlw. abgetragen. 1803–1835 ist Anton August Rgf. v. Attems Eigentümer, in jener Zeit erfolgen weitere Umbauten am Schloss, ebenso zwischen 1911 und 1917. Heutiger Besitzer ist Dr. Karlheinz Schubert.
Text
G.R., T.K., K.Kü.
Lage/Baubeschreibung
Das außergewöhnlich ausgedehnte, in Haupt- und Vorburg zu trennende Burgareal erstreckt sich über die gesamte S-Seite des durch die Stadtbefestigung definierten und etwa NNO-SSW orientierten Stadtbereiches von Schrattenthal. Zur Errichtung der Burg, der Siedlung und deren Befestigung konnte eine entsprechend verlaufende, mäßig hohe Geländezunge genutzt werden, die südwestl. vom "Schrattenbach" und westl. von einem hier mündenden Nebengerinne umflossen wird.
Die Stadtbefestigung umfängt ein Areal von 500 m Länge und durchschnittlich 200 m Breite. Das südl. eingebundene Sitzareal, auf dessen Hauptzugang der Ortsanger deutlich Bezug nimmt, erreicht mit den umgebenden Grabensicherungen eine Größe von etwa 300 x 160 m. Im W liegt der Bereich der Kernburg, bzw. des Kernschlosses, dessen westl. Beringteile in den Zwiesel der genannten Bäche ragen. Das Kernschloss bebaut ohne Grabenanlagen eine Fläche von ca. 110 x 100 m. Trotz massiver neuzeitlicher Umbauten des 16.–19. Jhs. vermittelt die 2-flügelige, 2-gesch. Anlage ein sehr heterogenes Erscheinungsbild. Kern der Anlage sind die ehem. N- und O-Trakte einer spätgot. Burganlage, die bereits die regelmäßige Struktur früher Schlossbauten besitzt. Der heute privat bewohnte und entsprechend adaptierte N-Trakt zeigt durch eine auf Pfeilern vorgesetzte, vermauerte Arkatur mit 3 Bogenstellungen sowie durch eine spätgot. Wendeltreppe im Inneren den Baukern des 15. Jhs. Über den urspr. Bering nach N und O tretende Erweiterungen der Renaissance, von denen Teile der erhaltenen Gewölbekonstruktionen stammen dürften, sowie des Barock geben dem N-Trakt das heutige Aussehen. Der 28 x 10 m große SO-Trakt ist ebenfalls spätgot. Ursprungs. Eine aus der Bauzeit stammende Wendeltreppe mit Handlauf erschließt das Obergeschoß. Der ehem. hier situierte Festsaal wurde in jüngerer Zeit in Wohneinheiten unterteilt, dessen urspr. Kassettendecke des 16./17. Jhs. und Reste der Malereiausstattung des 18. Jhs. verbergen sich heute unter den rezenten Decken. Eine hofseitig vermauerte (Fenster-)Öffnung lässt durch die Profilierung eine Datierung noch in das frühe 16. Jh. zu. Im Zentrum des verbindenden östl. Berings vermittelt eine Toranlage eines relativ starkwandigen Torturmes den Zutritt zum Hof der Kernburg. Die architektonisch anspruchsvollen Detailformen, das segmentbogige Tor mit Nebenpforte und die innerhalb der Einfahrt liegenden Sedilien datieren nach Dehio in die M. d. 15. Jhs. Das feldseitig halbrund gestaltete Obergeschoß des Turmes gestattet durch eine in der Mauerstärke angelegte Treppe den Zugang zum Folgegeschoß, dessen heutige Substanz aus der Neuzeit stammt. Mit der vorgeschlagenen Zeitstellung des Turmes korrespondiert die Struktur des an der S-Seite partiell sichtbaren Zwickelmauerwerks. Nördl. des Turmes liegende Bauteile, tlw. vor den mittelalterlichen Bering gestellt, entstammen dem Barock. In der NW-Ecke des Hofes liegt die schräg zum N-Trakt gestellte Kapelle, ein 3-joch. Saalbau mit 5/8-Schluss und einer Fülle architektonischer Details der Erbauungszeit, die nach Dehio mit 1536/38 anzunehmen ist. Als Besonderheit, die verschiedentlich wehrtechnisch erklärt wurde und den Bau zu den "Wehrkirchen" reihte, ist der auf den Strebepfeilern sitzende, bogengetragene Verbindungsgang an der O- und S-Seite zu sehen. Die Konstruktion vermittelt zwischen N-Trakt und dem filigranen Treppenturm und somit zur Empore im W der Kapelle, seine urspr. offene Maßwerkbrüstung wurde in der Barockzeit geschlossen. Die im Scheitel der Bögen angelegten Bodenöffnungen werden als Schuss- bzw. Wurföffnungen interpretiert. Die sich bereits im Bereich der Kapelle abzeichnende Unregelmäßigkeit der westl. Burgteile wird durch die ehem. Beringanlagen jener Seite weitergeführt. Zwei tlw. erhaltene Schalentürme sind der frühbastionären Befestigung des späten Mittelalters zuzurechnen, doch ist der ehem. Wehrcharakter der Anlagen durch die hier besonders durchgreifende Gartengestaltung bzw. -architektur des 18. und 19. Jhs. nahezu völlig aufgelöst. Teile dieser Anlagen stehen bereits mit einem äußeren Zwinger in Zusammenhang, der leicht bastionär befestigt die gesamte Kernburg umfasst. Der Zwinger wurde im Barock durch die Erweiterung des N-Traktes überbaut, nach Klaar sind für Teile der über hohen Substruktionen errichteten Umfassungsmauer neuzeitliche Umbauphasen anzunehmen. Gesonderte, ungewöhnlich stark ausgebaute Grabenanlagen mit gemauerten Konterescarpen sichern den Kernbereich gegen den nördl. Stadtbereich und die östl. Vorburg. Im S und W war durch den Stadtgraben und die genannten Bachläufe, die mglw. zur Speisung wasserführender Grabenbereiche dienen konnten, entsprechender Schutz vorhanden.
Die östl. situierte Vorburg umschließt mit ihren Beringfronten ein durchschnittlich 160 x 110 m großes Areal. Gegen die Stadt sicherte ein tiefer, tlw. aus dem Fels geschrämter Graben; östl. und südl. umziehen ebenfalls aus dem Fels gearbeitete Grabenanlagen, zugleich Graben der Stadtbefestigung, das Areal. Die Dimensionen dieser Gräben beeindrucken noch heute, doch bedingte die SO-Seite mit dem relativ ebenen Vorgelände einen entsprechenden Ausbau der Wehranlagen und Annäherungshindernisse. Mglw. wurden diese gegen Wien weisenden Fronten auch zur Demonstration politischer Orientierung und herrschaftlicher Selbstdarstellung entsprechend ausgebaut. Zentrales "Bollwerk" der Vorburg ist der gewaltige, in der SO-Ecke isoliert errichtete Rundturm. Der 2-gesch. erhaltene Bau erreicht einen äußeren Durchmesser von 18,55 m, die Mauerstärke beträgt 5,35 m. Eine im NW im Obergeschoß angebrachte Pforte mit Zugbrückennische vermittelt über 2 weitere Türen den Zugang zum Innenraum und zu einer das Folgegeschoß erschließenden Treppe in der hofseitigen Mauerschale. Der urspr. höhere Turm ist ein regional singuläres Beispiel eines frühen, für den Offensiveinsatz von stellungsgebundener Artillerie konzipierten Wehrbaues. Die Mauertechnik zeigt zeittypisches Zwickelmauerwerk, die Größe des Materials und die besonders charakteristische Ausprägung sind überdurchschnittlich. Nach Dehio datiert der Bau in die M. d. 15. Jhs., berechtigterweise könnte auch die Zeit um 1470 herangezogen werden. Der Bering der Vorburg ist durch zahlreiche bastionäre Elemente verstärkt, die Fülle und Qualität der Detailformen an diesen Bauteilen ist überaus bemerkenswert. Unmittelbar südl. des Turmes liegt die aus Fahr- und Nebentor bestehende, zugbrückengesicherte Toranlage eines Sekundärzuganges, welcher auch eine innere, den Batterieturm einbindende Beringsituation mit innerem Tor entstehen ließ. Die selektive Verwendung von Schlüssellochscharten an der Bastionierung der SO-Seite belegt die entwicklungsmäßige, mglw. relativ frühe Annäherung an derartige Einrichtungen, ein Datierungsvorschlag sollte bis um 1470 ausgedehnt werden. Am östl. Bering sind neuzeitliche Adaptierungen mit dünnwandigem Mauerwerk und ziegelgemauerten Schlüssellochscharten, vermutl. des 16./17. Jhs., zu beobachten.
Nördl. des Turmes markieren eine Gruppe von Wirtschaftsgebäuden und die Reste eines verbindenden Berings an der O-Seite mglw. eine gesondert befestigte und auch höher gelegene Kernzone, ob hier tatsächlich die von Klaar vermutete Altburg des 13. Jhs. zu suchen ist, muss unbeantwortet bleiben. Die im 16., 17. und 18. Jh. veränderten und tlw. mit reizvollen barocken Dekorelementen versehenen, mit ausgedehnten Kellerräumen ausgestatteten Bebauungen der Vorburg gehen im Kern auf das Meierhofareal der späten Gotik zurück. Der sog. "Schafstall" nördl. des Turmes integriert einen spätgot., kreuzrippengewölbten Einsäulenraum; an den weiteren Gebäuden, z. B. am "Kasten" und am "Preßhaus" sind punktuell freigelegte Architekturelemente des 15. Jhs. zu beobachten. Eine Baulücke im N markiert den urspr. Zugang zur Vorburg, das im Kern spätgot. Gebäude im W wurde 1784–1918 als Pfarrhof verwendet. Der östl., als Remise verwendete Trakt besitzt zahlreiche Details des 15. Jhs., u. a. bemerkenswerte, hochrechteckige Lichtöffnungen mit profilierten Gewänden.
Der im 15. Jh. sichtlich in mehreren Bauetappen ausgeführte, 1472 mit dem Stadtrecht versehene Siedlungs- bzw. Herrschaftsaufschluss dokumentiert durch die Flächenentwicklung, Monumentalität und Qualität des ausgeführten Bauprogramms den herrschaftlichen Anspruch der Eitzinger, der nur mit entsprechender Finanzkraft zu derartiger Entfaltung gelangen konnte. Schrattenthal bildet ein bauhistorisches Juwel ersten Ranges, die Bedeutung des Gesamtensembles, speziell in Bezug auf den frühen Schloss- und Festungsbau, ist sehr hoch zu bemessen, eine entsprechende Würdigung ist allerdings noch heute zu vermissen.
Text
G.R., T.K., K.Kü.
Erhaltungszustand/Begehbarkeit
Burgbereich teils bewohnt, teils als Gutshof genutzt. Areal tlw. frei zugänglich.
Touristische Infrastruktur
Parkmöglichkeiten an der Ortsstraße, vor der Einfahrt in den Burgbereich. Eine direkte Zufahrt ist nicht gestattet.
Markt- bzw. Stadtgründung des 15. Jhs. mit ungewöhnlich ausgedehntem Sitzareal und bemerkenswerten, den Herrschaftsanspruch der Eitzinger dokumentierenden Bauelementen der 2. H. d. 15. Jhs. Bauhistorisch ist dem Gesamtensemble höchste Bedeutung beizumessen, im Besonderen bezüglich der Entwicklung früher Festungsarchitektur. Darüber hinaus bietet der Burgbereich einen Rundgang mit reizvollen Blickpunkten. Ein kurzer Abstecher über die alte Ortsstraße (vor dem Eggenburger Tor nach S) präsentiert die eindrucksvolle S-Seite der Befestigung. Der Bereich der Vorburg ist ganzjährig frei zugänglich, beim privat bewohnten Kernschloss ist das Zutrittsverbot zu beachten. Bei entsprechender Anmeldung sind der Batterieturm ("Hungerturm") und u. U. auch die spätgot. Schlosskapelle zu besichtigen.
Gasthäuser
GH Frotzler in Schrattenthal, "Schloßgasthaus" in Retz, GH "Weinschlößl" in Retz.
Literatur
- Werner Berthold, Stadtgemeinde Schrattenthal. In: Ernst Bezemek, Willibald Rosner (Hg.), Vergangenheit und Gegenwart. Der Bezirk Hollabrunn und seine Gemeinden. Hollabrunn 1993, 847–856, 847 ff.
- Georg Binder, Die Niederösterreichischen Burgen und Schlösser (2 Bde.). Wien–Leipzig 1925 II, 115
- Gerhard Reichhalter, Karin Kühtreiber, Thomas Kühtreiber (mit Beiträgen von Günter Marian, Roman Zehetmayer), Burgen Weinviertel (hg. v. Falko Daim). Wien 2005, 347 ff.
- Georg Clam-Martinic, Österreichisches Burgenlexikon. Linz ²1992, 186
- Dehio Niederösterreich, nördlich der Donau (hg. v. Bundesdenkmalamt). Wien 1990, 1057 ff.
- Brigitte Faßbinder, Die Kunst im Bezirk Hollabrunn. In: Ernst Bezemek, Willibald Rosner (Hg.), Vergangenheit und Gegenwart. Der Bezirk Hollabrunn und seine Gemeinden. Hollabrunn 1993, 373–415, 403 f.
- Heinrich Weigl, Historisches Ortsnamenbuch von Niederösterreich (Reihe A), Band I–VII, Wien 1964–1975. – Fritz Eheim, Max Weltin, Historisches Ortsnamenbuch von Niederösterreich (Reihe A). Ergänzungen und Berichtigungen, Band VIII, Wien 1981 VI und VIII, S 205
- Manfred Jasser et al, Schlösser und Burgen im Weinviertel. Schriftenreihe Das Weinviertel 3 (hg. v. Kulturbund Weinviertel), Mistelbach 1979, 109
- Karl Kafka, Wehrkirchen Niederösterreichs II. Wien (Birkenverlag) 1970, 71 f.
- Adalbert Klaar, Beiträge zu Planaufnahmen Österreichischer Burgen II. Niederösterreich 3. Teil. Mitteilungen der Kommission für Burgenforschung und Mittelalter-Archäologie 20 (=Anzeiger der phil. hist. Klasse der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 114. Jg., Sonderschrift 2), Wien 1977, 28–42, 36 f.
- Friedrich-Wilhelm Krahe, Burgen des deutschen Mittelalters, Grundrisslexikon, Ergänzungsband. Berlin 1999, 93
- Laurin Luchner, Schlösser in Österreich I. München 1978, 142
- Raimund Oblistil, Franz Müllner, Anton Resch, 500 Jahre Stadt Schrattenthal 1472–1972. Hg. Großgemeinde Schrattenthal. Schrattenthal o. J. (1972), 15–33
- Georg Matthäus Vischer, Topographia Archiducatus Austriae Inferioris Modernae 1672. Reprint Graz 1976 V.U.M.B., Nr. 78