Hauptburgenname
Propsteiberg
ID
2398
Objekt
Burg, stark umgebaut
Adresse
3910 Zwettl, Propstei
KG
Koppenzeil
OG/MG/SG
Zwettl
VB
Zwettl
BMN34 rechts
663948
BMN34 hoch
385289
UTM 33N rechts
512211.97
UTM 33N hoch
5382980.35
Link auf NÖ-Atlas
Lage auf Karte im NÖ-Atlas ...
Zufahrt
PKW: An der südl. Ortsausfahrt von Zwettl Richtung Moidrams (B 38) zweigt die beschilderte Zufahrt zum Spital und zum Friedhof ab. Beim Spital links zum Friedhofsparkplatz nördl. der Propsteikirche abbiegen. Unterhalb des Friedhofes finden sich Parkplätze. RAD: In Zwettl kreuzen sich „Kamptalweg" und „Kuenringerweg". Ein örtlicher, beschildeter Radweg Richtung Gschwendt oder Waldhams zweigt im Ortszentrum ab und führt unmittelbar über den Propsteiberg. ZU FUSS: Vom Stadtzentrum führen mehrere Stadtwanderwege in max. 30 Min. auf den Propsteiberg.
Geschichte
Neuere Forschungen widerlegen Zweifel an der Existenz einer Kuenringerburg. Aufgrund der hftl. Entwicklung ist die Errichtung eines ersten befestigten Sitzes auf um 1100 oder etwas später zu datieren. Dagegen trifft es nicht zu, dass mit dem 1138 genannten und dem Stift Zwettl geschenkten „predium Zwetel“ die Burg auf dem Propsteiberg gemeint war. Diese wurde durch Herzg. Friedrich II. im Zuge des von den Kuenringern angeführten Aufstands 1231 nach einer Belagerung zerstört. Zu Beginn des 14. Jh. waren von der nicht wieder aufgebauten Burg noch Mauerreste sichtbar, die Kuenringer residierten aber inzwischen in einem Zwettler Stadthaus. In der 2. H. d. 13. Jh. dürfte auf dem Areal der ehem. Burg – die alte Burgkirche war noch vorhanden und damals Pfk. – ein geräumiger Pfarrhof errichtet worden sein. Im Zuge der Fehden des 15. Jh. hat Wilhelm v. Puchheim hier einen Tabor errichtet. 1483 wurde die im Pfarrhof auf dem Propsteiberg wohnende Gemeinschaft der Geistlichen in ein Kollegiatstift umgewandelt. Zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges wurden die Stiftsgebäude zerstört, bald danach aber wieder aufgebaut, sodass 1645 einem Angriff der Schweden standgehalten werden konnte. M. d. 18. Jh. wurde das Stift de facto aufgelöst, das Areal auf dem Propsteiberg fiel 1751 an das Theresianum, 1789 an die Staatsgüter-Administration, 1797 wiederum an das Theresianum. Seit 1882 ist der Komplex im Besitz der Sparkasse Zwettl und beherbergt ein Caritasheim sowie Mietwohnungen.
Text
R.Z.
Lage/Baubeschreibung
Der Gebäudekomplex der ehem. Propstei liegt 800 m südsüdwestl. der heutigen Pfk. von Zwettl, gegenüber dem Stadtzentrum auf dem östl. Ende eines Geländerückens, der oberhalb des Zusammenflusses von Zwettl und Kamp vorragt. Das Gelände fällt nördl., östl. und südl. mäßig steil zu den Einschnitten der genannten Gewässer ab. Die Lage bedingte zumindest im W, wo eine geringe Überhöhung durch das Vorgelände gegeben war, stärkere Außenbefestigungen, doch sind gerade hier sämtliche oberflächliche Spuren durch spätere und rezente Veränderungen verloren gegangen. Das ehem. Burgareal wird heute von der ausgedehnten, 3-höfigen Gebäudegruppe der Propstei im W und von der vom Friedhof umgebenen Propsteikirche im O beansprucht. Die rezente Friedhofsmauer folgt mit ihrem polygonalen Verlauf der im O noch ausgeprägt erhaltenen Wall-Graben-Anlage, die verm. in einem großen, W-O-orientierten Oval den ehem. Burgbereich umschloss. Nach den Untersuchungen Klaars gehörte der am S-Abfall situierte, W-O-orientierte, 32,90 x 10,30 m große Saal- oder Hallenbau zur einstigen Burg. Seine von typologischen Kriterien abgeleitete, nicht haltbare Frühdatierung ist aus heutiger Sicht durch die früher großflächig sichtbare Mauerfüllung aus reinen Opus spicatum-Strukturen erklärbar. Grabungen 1963/68 erbrachten nur unzureichende Ergebnisse und sind heute mangels ausreichender Dokumentation nicht mehr nachvollziehbar. Eine 1998 durchgeführte Bauuntersuchung, die sich in erster Linie dem Saalbau und der Kirche widmete, aber auch die Propstei randlich einbezog, konnte div. Frühdatierungen revidieren und wertvolle Hinweise über den Gesamtkomplex erbringen. Der Saalbau ist durch seine lagerhaften, der Einzellage verhafteten Mauerstrukturen aus Bruchsteinmaterial mit ansatzweisen Opus spicatum-Einschüben in das 13. Jh. zu stellen, jedoch in die Zeit nach der Zerstörung von 1231. Es verdichten sich die Hinweise, hier den 1283 genannten Pfarrhof bzw. einen zugehörenden Bauteil zu sehen. Sein heute unter dem Niveau der Propstei liegende Erdgeschoß wurde durch eine große Toreinfahrt von W erschlossen und wurde durch 6 konische Lichtscharten in der feldseitigen S-Mauer belichtet. Ab dem Spätmittelalter umgebaut, wurde der Bau in der Neuzeit, unter Veränderungen der Geschoßhöhen, zum Schüttkasten umfunktioniert. An der Basis seiner N-Wand deuten quaderhafte, lagige Strukturen (sollte nicht spoliertes Material der Burg vorliegen) auf einen älteren Baurest, mglw. auf den ehem. südl. Bering der Burg des 12./13. Jhs. Die nördl. davon im Zentrum des Areals situierte Propsteikirche Hl. Johannes der Täufer wird allgemein als ehem. Burgkirche gesehen und relativ früh im 12. Jh. angesetzt. Sie besteht aus einem ca. 19,80 x 11,80 m großen Langhaus, an das ein stark eingezogenes Chorquadrat mit halbrunder Apsis gestellt ist. Das exakte Großquadermauerwerk aus anstehendem Granit bildet eine Reihe primärer, tlw. zugesetzter Fenster- und Türöffnungen aus, u. a. einen südl. und westl. Hocheinstieg zur 3-jochigen W-Empore. Der Primärbau besaß ein durchgehendes Obergeschoß profaner Nutzung mit eigenem westl. Hocheinstieg. In einer 2. Bauphase erfolgte die Erhöhung und die Errichtung des westl. Glockenturmes, dessen Schallöffnungen als Biforen gestaltet waren. Die beiden Primärbauphasen der Kirche wurden schließlich in die 2. H. d. 12. Jhs. datiert, nicht zuletzt durch den Vergleich mit der typologisch verwandten Kirche von Altweitra. Der bislang als sma. datierte, sichtlich sekundär aufgesetzte Chorturm ist durch seine im Inneren sichtbaren Mauerstrukturen aus großteils plattigen, lagig versetzten Bruchsteinen mit starken Opus spicatum-Einschüben, unterstützt durch Daten einer dendrochronologischen Untersuchung, in die Zeit vor 1231 zu stellen. Beide Hocheinstiege setzen zwar entsprechende Baulichkeiten im S und W der Kirche voraus, doch sind solche heute nicht mehr nachweisbar. Bei den Grabungen 1963/68 konnten u. a. Mauerzüge im W der Kirche aufgedeckt werden, ein Zusammenhang mit der Burg war/ist jedoch nicht erkennbar. Aus aktueller Sicht wird der eigentliche Sitz innerhalb der heutigen Propstei zu suchen sein, wo besonders im W-Trakt, gegenüber der Kirche, auffallend große Mauerstärken auftreten. Der mehrflügelige Propsteikomplex integriert Bauteile des Spätmittelalters, u. a. eine gegen W gerichtete Toranlage im SO-Trakt. Der den südl. Hof begrenzende Wirtschaftsbau benutzt als Fundament wohl ältere, sma. Beringteile. Zahlreiche Folgebauphasen, u. a. durch ein profiliertes Fenster der 1. H. d. 16. Jhs. ersichtlich, schufen den heutigen Baukörper, dessen Basis auf dem Vischer-Stich von 1672 zu erkennen ist. Die letzte Bauphase ist 1993 anzusetzen, als im Zuge einer vorbildlichen Restaurierung auch die homogen integrierten W- und S-Trakte entstanden. Die Propstei wird seither als Wohn- und Tagesheim der Caritas und z. T. für Mietwohnungen genutzt. Der heutige Bauzustand schließt nähere Untersuchungen aus, Aufschlüsse zur ehem. Kuenringerburg wären wohl nur durch aufwändige Grabungen im unverbauten Gelände zu gewinnen.
Text
G.R., T.K.
Erhaltungszustand/Begehbarkeit
Restaurierter Gebäudekomplex, nur tlw. zugänglich.
Touristische Infrastruktur
Im Gebäudekomplex der ehem. Propstei sind ein Caritasheim und Privatwohnungen eingerichtet. Das Gelände bzw. die Höfe sind gemäß ihrer Nutzung bedingt zugänglich. Eine Innenbesichtigung ist nicht möglich. Die benachbarte Propsteikirche, die ehem. Burgkirche, liegt innerhalb des Friedhofes und ist tagsüber in der Regel für den Besuch geöffnet.
Gasthäuser
GH „Bergwirt" in Moidrams, GH Schön in Zwettl, GH „Zum Goldenen Hirschen" in Zwettl, GH „Dichter Hamerling" in Zwettl.
Literatur
- Georg Binder, Die Niederösterreichischen Burgen und Schlösser (2 Bde.). Wien–Leipzig 1925 II, 26
- Gerhard Reichhalter, Karin und Thomas Kühtreiber, Burgen Waldviertel Wachau. St. Pölten 2001, 437 ff.
- Falko Daim, Karin und Thomas Kühtreiber (Hg.), Burgen Waldviertel - Wachau - Mährisches Thayatal. Wien 2009, 598 ff.
- Dehio Niederösterreich, nördlich der Donau (hg. v. Bundesdenkmalamt). Wien 1990, 1339 f.
- Anton Erdinger, Beiträge zur Geschichte der Propstei Zwettl. Geschichtliche Beilagen zum St. Pöltner Diözesanblatt 7, St. Pölten 1903, 311–370
- Wolfgang Katzenschlager, Kunst und Künstler. In: Walter Pongratz, Hans Hakala (Hg.), Zwettl – Niederösterreich I. Die Kuenringerstadt, Zwettl 1980, 285–336, 285 ff.
- Adalbert Klaar, Die Kuenringerburg in Zwettl. Das Waldviertel 14/10–12, Horn 1965, 114–119
- Adalbert Klaar, Ein Kuenringischer Altbau auf dem Propsteiberg. Das Waldviertel 19/10–12, Horn 1970, 254–255
- Thomas Kühtreiber, Roman Zehetmayer, Zur Geschichte des Propsteiberges. Zwettler Zeitzeichen 2, Zwettl 1999
- Thomas Kühtreiber, Studien zur Baugeschichte des Gebäudekomplexes auf dem Zwettler Propsteiberg. Die Ergebnisse der Bauuntersuchungen von 1998. Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich 69–71, 2003–2005, St. Pölten 2007, 309–385
- Paul Buberl, Die Denkmale des politischen Bezirkes Zwettl. Österreichische Kunsttopographie VIII, Wien 1911, 426 ff.
- Walter Pongratz, Gerhard Seebach, Burgen und Schlösser Litschau – Zwettl – Ottenschlag – Weitra. Niederösterreichs Burgen und Schlösser III/1 (Birken-Reihe), Wien 1971, 147 ff.
- Walter Pongratz, Die Probegrabung auf dem Propsteiberg bei Zwettl. Das Waldviertel 12/5–6, Horn 1963, 83–85
- Hans P. Schad'n, Die Hausberge und verwandten Wehranlagen in Niederösterreich. Ein Beitrag zur Geschichte des mittelalterlichen Befestigungswesens und seiner Entwicklung vom Ringwall bis zur Mauerburg und Stadtumwehrung, Teil 1: Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft 80/3, 1950, 245–352; Teil 2: Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft 81/2–3, 1953, 25–185; – Hans P. Schad'n, Die Hausberge und verwandten Wehranlagen in Niederösterreich. Ein Beitrag zur Geschichte des Befestigungswesens und seiner Entwicklung vom Ringwall bis zur Mauerburg und Stadtumwehrung. Prähistorische Forschungen 3, Horn–Wien 1953, 254
- Hermann Schwammenhöfer, Archäologische Denkmale IV. Viertel ober dem Manhartsberg. Wien o. J. (1988), Nr. 98
- Georg Matthäus Vischer, Topographia Archiducatus Austriae Inferioris Modernae 1672. Reprint Graz 1976 V.O.M.B., ohne Blattangabe (interne Nr. 511)
- Roman Zehetmayer, Die Geschichte der Burg und die Baugeschichte der Propstei Zwettl nach schriftlichen Quellen. Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich N. F. 69/71, St. Pölten 2003–05 (2007), 283–308