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Hauptburgenname Wieselburg I
ID 2494
weitere Burgennamen Kirchenberg
Objekt Hausberg|Burgstall|Erdwerk
KG Wieselburg
OG/MG/SG Wieselburg
VB Scheibbs
BMN34 rechts 661030
BMN34 hoch 332814
UTM 33N rechts 510208.08
UTM 33N hoch 5330488.65
Link auf NÖ-Atlas Lage auf Karte im NÖ-Atlas ...
Zufahrt PKW: Die Westautobahn an der Abfahrt Ybbs verlassen und südl. bis Wieselburg fahren. Bei der Erlaufbrücke zweigt von der nach Scheibbs führenden Ortsdurchfahrt die Zufahrt zum Kirchenberg ab. RAD: Wieselburg bildet den Knotenpunkt des nach Lunz am See führenden „Ötscherlandwegs" und des hier beginnenden „Meridianwegs".
Geschichte Nach den massiven Verödungen in den Ungarnkriegen (907–955) wurde in einer zwischen 976 und 979 ausgestellten Urkunde K. Ottos II. an Bf. Wolfgang v. Regensburg das Recht erteilt, am Zusammenfluss der Großen und der Kleinen Erlauf ein „castellum“ anzulegen. Unmittelbar darauf dürfte die Kernanlage auf dem Kirchenberg errichtet worden sein. Im Rahmen der Heiligsprechung des Namenspatrons Ulrich ließ der Bf. ab 993 das zentrale Kirchenoktogon errichten. 1107 konnte das Passauer Eigenkloster Mondsee ältere Besitzansprüche durchsetzen. Um 1241 wurde der Ort vom Passauer Bistum am Erlaufufer als planmäßige Siedlung neu angelegt und mit einem Verwaltungsgut versehen, das 1256 erstmals urk. fassbar ist. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte die alte Wehranlage ihre Verwaltungs- und Residenzfunktion verloren, diente jedoch noch dem hier gelegenen eigenständigen Marktort Berg bis ins Spätmittelalter als mehrfach erneuerte Befestigung.
Text P.S.
Lage/Baubeschreibung Auf dem „Kirchenberg" von Wieselburg, der das nördl. Ende einer flachen, in den namengebenden Zwiesel von Großer und Kleiner Erlauf ragenden Geländezunge ist, liegt eine der ältesten Befestigungsanlagen des Gebiets. Innerhalb des Areals steht die dem Hl. Ulrich geweihte Pfarrkirche, die bedeutende Teile der ehem. Burgkirche integriert. Sie wird mit dem Superlativ „ältester aufrechter Kirchenbau östl. der Enns" ausgezeichnet. Anlässlich eines groß angelegten Kirchenausbaus 1953–1958 wurden die Anlagen des 10. Jhs. wieder entdeckt und 1956–1965 tlw. ausgegraben. Da die meisten Befunde heute wieder zugeschüttet bzw. stark überformt und rekonstruiert sind, können hier weitgehend nur die damaligen Forschungsergebnisse von Hertha Ladenbauer-Orel resümiert werden. Oberhalb einer 1. Siedlung des 9. Jhs. wurde um 900 der topographisch natürlich gut beschützte Geländesporn mit einer Befestigung als Abschnittswall mit vorgesetztem Graben vom angrenzenden Hochland getrennt. Nach dem Ungarnsturm (urk. ab 976/979) wurde der alte Wall erneuert und mit einer 1,60 m starken Bruchsteinmauer gekrönt. Dadurch war eine ovale Hochfläche von 110 m Durchmesser geschützt. Zentral an den Wall innen angestellt fanden sich Fundamente eines 12,60 m breiten Quadratbaus mit 1,70 m Mauerstärke, der als mächtiger Wohnturm des späten 10. Jhs. postuliert wird. Der heutige spärliche Befund deutet auf eine Zweiphasigkeit, so ist unter dem Turm an der S-Ecke eine anders fluchtende Mauerinnenecke zu sehen, die direkt vor dem got. Kirchturm zu einer ähnlichen Mauerecke gleicher Flucht passt und die relativ parallel zum ottonischen Kirchenbau läuft bzw. rechtwinkelig zum Wall steht. Mglw. kann hier eine rechteckige Kernanlage von etwa 35 m Breite rekonstruiert werden, die sich zentral an den älteren Erdwall anlehnte. Diese Interpretation wird durch das charakteristische Kleinstmauerwerk unterstützt, das trotz der winzigen, plattigen Formate der Einzellage treu bleibt und sich von sämtlichen anderen Bauphasen deutlich abhebt. Demnach ist der Turmbau mit seinem größeren Bruchsteinmauerwerk, den deutlichen Baufugen und der unterschiedlichen Flucht einem späteren Ausbau zuzuordnen. Als O-Ecke der möglichen Rechteckanlage könnte das große Oktogon gedient haben, an dessen NW-Kante die N-Flucht mündet. Dieses Oktogon ist zu 3 Viertel vollständig erhalten, die anlässlich einer Kirchenerweiterung geöffnete W-Seite konnte ergraben werden. Der bedeutendste noch erhaltene Sakralbau des Frühmittelalters in Österreich besteht aus einem komplexen Raumgefüge: Einem quadratischen Kubus waren einst 4 eingerückte Rechteckräume mit Triumphbögen angestellt, darüber sitzt noch heute über Trompen ein 13 m hohes Oktogongewölbe. Es haben sich nicht nur Rundfenster des unteren Bereichs sowie doppelkonische Rundbogenfenster im Gewölbe erhalten, sondern auch wesentliche Teile der primären Freskenausstattung. Sie zeigt in Abwandlung eines byzantinischen Dekorationsschemas den Pantokrator an der Spitze, darunter Engel und in den Trompen die vier Evangelistensymbole sowie Bibelsprüche. Der monumentale Bau ist typologisch sowie bautechnisch für seine Zeit in Österreich einzigartig und folgt dem überregionalen Phänomen der kreuzförmigen Zentralbauten, die vor allem in bedeutenden Pfalzorten zur Verehrung wichtiger Heiliger oder Reliquien dienten. Bereits früh wurde im W ein quadratischer Anbau errichtet, der als Wohn- bzw. Wehrturm interpretiert wird, jedoch auch als klassisches Westwerk mit Herrschaftsempore gedient haben mag. Direkt anschließend konnten Fundamente von Häusern dokumentiert werden, die aus dem Spätmittelalter datieren. Innerhalb des Plateaus bestand zu dieser Zeit der eigenständige Marktort Berg, der erst im 16. Jh. durch Friedhof und Pfarrhof ersetzt wurde. Aus dem Spätmittelalter stammt auch der Großteil der heutigen Befestigung, deren blockhafte Netzstrukturen mit regelmäßigen Abgleichslagen nur im S gut erhalten sind. Weitere Mauerzüge im W inmitten des Areals zeigen unterschiedlichste Strukturen und können als Reste hoch- bis spätmittelalterlicher Gebäude sowie Hofmauern gedeutet werden. Im 15. Jh. wurde das Oktogon zur zweischiffigen Hallenkirche mit W-Turm erweitert, 1953–58 wurde der große Kirchenanbau errichtet.
Text P.S.
Touristische Infrastruktur Vor der Kirche sind Parkplätze vorhanden. Das Gelände des Kirchenbergs mit den Resten der Befestigungen ist frei zugänglich, die Pfarrkirche mit dem ottonischen Oktogon ist tagsüber für Besucher geöffnet.
Gasthäuser "Brauhof" Wieselburg, GH "Zur Stadt Wieselburg", GH Aigner in Wieselburg.
Literatur
  • Marina Kaltenegger, Thomas Kühtreiber, Gerhard Reichhalter, Patrick Schicht, Herwig Weigl, Burgen Mostviertel (hg. v. Falko Daim). Wien 2007, 372 ff.
  • Rudolf Büttner, Burgen und Schlösser zwischen Araburg und Gresten. Niederösterreichs Burgen und Schlösser II/3 (Birken-Reihe), Wien 1975, 138 f.
  • Dehio Niederösterreich, südlich der Donau (hg. v. Bundesdenkmalamt), 2 Bde. Horn–Wien 2003, 2684 ff.
  • Fundberichte aus Österreich (hg. v. Bundesdenkmalamt). Wien 1930 ff. 7/1956–60, 152 f.
  • Fundberichte aus Österreich (hg. v. Bundesdenkmalamt). Wien 1930 ff. 8/1961–65, 161 f.
  • Fundberichte aus Österreich (hg. v. Bundesdenkmalamt). Wien 1930 ff. 2/1934–37, 82
  • Karl Lechner (Hg.), Handbuch der Historischen Stätten Österreich 1, Donauländer und Burgenland. Stuttgart ²1985, 619
  • Heinrich Weigl, Historisches Ortsnamenbuch von Niederösterreich (Reihe A), Band I–VII, Wien 1964–1975. – Fritz Eheim, Max Weltin, Historisches Ortsnamenbuch von Niederösterreich (Reihe A). Ergänzungen und Berichtigungen, Band VIII, Wien 1981 VII, W 288
  • Marina Kaltenegger, Frühmittelalterliche Kirchen- und Klosterbauten im Alpenvorland (Oberösterreich, Niederösterreich; Burgenland). In: Hans Rudolf Sennhauser (Hg.), Frühe Kirche im östlichen Alpengebiet. Von der Spätantike bis in ottonische Zeit. Bayerische Akademie der Wissenschaften, philosophisch-historische Klasse Abhandlungen N. F. 123 (= Schriften der Kommission zur vergleichenden Archäologie römischer Alpen- und Donauländer), München 2003, 487–499, 495
  • Rudolf Koch, Elga Lanc, Wieselburg (NÖ), Pfarrkirche hl. Ulrich. In: Hermann Fillitz (Hg.), Früh- und Hochmittelalter. Geschichte der bildenden Kunst in Österreich 1. München–New York– Wien 1998, 235–236
  • Karl Kubes, Die Sakralarchitektur vom 10. bis zum Ausgang des 12. Jhs. In: 1000 Jahre Babenberger in Österreich. Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums N. F. 66, Wien 1976, 471–498, 475 ff. (mit Beiträgen von E. Lanc und H. Ladenbauer-Orel)
  • Erwin Kupfer, Das Königsgut im mittelalterlichen Niederösterreich vom 9. bis zum 12. Jahrhundert. Studien und Forschungen aus dem Niederösterreichischen Institut für Landeskunde 28, St. Pölten 2000, 92
  • Hertha Ladenbauer-Orel, Das Castellum des heiligen Wolfgang in Wieselburg an der Erlauf. Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege 16, Wien 1962, 89–91
  • Hertha Ladenbauer-Orel, Der Kirchenberg in Wieselburg an der Erlauf. Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich N. F. 37, Wien 1967, 28–39
  • Herta Ladenbauer Orel, Der ottonische Kirchenbau von Wieselburg und sein Umfeld. Archäologie Österreichs 7, Wien 1996, 44–51
  • Elga Lanc, Die mittelalterlichen Wandmalereien in Wien und Niederösterreich. Corpus der mittelalterlichen Wandmalereien Österreichs I, Wien 1983, 395 ff.
  • Herbert Pöchhacker, Burgen und Herrensitze im Bezirk Scheibbs in der Zeit von 1000 bis 1500. Heimatkunde des Bezirkes Scheibbs Bd. 5, Scheibbs 1986, 308 f.
  • Hans P. Schad'n, Die Hausberge und verwandten Wehranlagen in Niederösterreich. Ein Beitrag zur Geschichte des mittelalterlichen Befestigungswesens und seiner Entwicklung vom Ringwall bis zur Mauerburg und Stadtumwehrung, Teil 1: Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft 80/3, 1950, 245–352; Teil 2: Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft 81/2–3, 1953, 25–185; – Hans P. Schad'n, Die Hausberge und verwandten Wehranlagen in Niederösterreich. Ein Beitrag zur Geschichte des Befestigungswesens und seiner Entwicklung vom Ringwall bis zur Mauerburg und Stadtumwehrung. Prähistorische Forschungen 3, Horn–Wien 1953, 249 f.
  • Friedrich Schragl, Wieselburg an der Erlauf. Pfarrkirche zum Heiligen Ulrich. St. Pölten 1976
  • Hermann Schwammenhöfer, Archäologische Denkmale II. Viertel ober dem Wienerwald. Wien o. J. (1988), Nr. 142
  • Matthias Untermann, Der Zentralbau im Mittelalter. Form, Funktion, Verbreitung. Darmstadt 1989, 60
  • Renate Wagner-Rieger, Mittelalterliche Architektur in Österreich. St. Pölten–Wien ²1991, 34 f., 62
Oktogon mit Freskenresten (2006) - © Gerhard Reichhalter
Oktogon mit Freskenresten (2006)
© Gerhard Reichhalter
Lageplan (1962) - © Ulbrich, T.K. Beranek, Hertha Ladenbauer-Orel
Lageplan (1962)
© Ulbrich, T.K. Beranek, Hertha Ladenbauer-Orel