Hauptburgenname
Grafenwörth
ID
387
Objekt
nicht mehr erhaltene Wehranlage|Adelssitz|Burgstelle
KG
Grafenwörth
OG/MG/SG
Grafenwörth
VB
Tulln
BMN34 rechts
708910
BMN34 hoch
363264
UTM 33N rechts
0
UTM 33N hoch
0
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Geschichte
Nicht hierher gehören die ministerialischen Herren v. Werd, die sich nach einem abgekommen Ort zwischen Kammern und Hadersdorf nennen (HONB VII, W 225). Die ritterständischen Werder hingegen, die als Gefolgsleute der Gfn. v. Plain-Hardegg bis auf einen um 1175 auftretenden Ortolf zurückgeführt werden können, erweiterten zur besseren Unterscheidbarkeit ihren Herkunftsnamen mit Grafenwörth. Als "Graevenwerde" wird der Ort urk. erstmals 1280 erwähnt, als namengebender Sitz scheint er 15 Jahre später zum ersten Mal auf: 1295 werden die "milites" Otto und Leo "fratres de Gravenwerde" genannt, wobei Letzterer noch 1271 als Leo "miles in Werd" unter der ritterlichen Mannschaft der Gfn. Wilbirg v. Hardegg zu finden ist (NÖUB Vorausband, 251). Während Ottos Sohn Leo in Grafenwörth verbleibt (FRA II/51, 482, Nr. 536), gelingt es Leos gleichnamigem Sohn (UB Herz., 136 f., Nr. 124), der mglw. mit dem 1321 als Richter von Grafenwörth genannten Leo identisch ist (UB Herz., 77, Nr. 78), den namengebenden Sitz zu verlassen und auf Schmida sesshaft zu werden. Dabei haben wohl schon frühere Verbindungen zu dem dort ansässigen, ritterlichen Geschlecht, das wiederum über Besitz in Grafenwörth verfügte (FRA II/11, 225 f., Nr. 223), eine Rolle gespielt. Zudem lassen die Namen seiner beiden jüngeren Söhne auf eine Heiratsverbindung mit den Schmidachern schließen (NÖLA StA Stetteldorfer Urk., Nr. 7). 1327 nennt sich Leo zwar noch „von Gravenwerd“, führte aber bereits seinen neuen Herrschaftssitz an: „gesezen ze Smida“, um danach ausschließlich als Leo von Schmida aufzuscheinen (u. a. UB Herz., 131, Nr. 121; UJM, 155). Einem weiteren Otto von Grafenwörth gelingt durch die Eheschließung mit der Tochter Gottfrieds von Einöd (FRA II/6, 247 ff., Nr. 95) ebenfalls außerhalb des angestammten Ortes eine eigene Herrschaftsbildung, die erstmals 1350 ("Otto Grafenwerder von Ainnet") belegt ist (StiA Herz., St. Andrä Urk., Nr. 77). E. d. 14. Jhs. dürfte aus dieser Sippe nur noch Jörg Grafenwörther den namengebenden Sitz bewohnt haben (StiA Herz., Dürnstein Urk., Nr. 105). Nach der Jahrhundertwende ist auch er bereits im benachbarten Jettsdorf ansässig (ebd., Nr. 105, 133), was mit der Verwandtschaft zu den Truchsessen erklärt werden kann.
Die Hft. Grafenwörth geht auf die urspr. Herren des hier ansässigen, ritterlichen Geschlechtes, die Gfn. v. Plain-Hardegg, zurück, die im Gebiet des Kamp über altangestammten Besitz verfügten und hier auch danach trachteten, ihre Interessen zu wahren. Nach dem Aussterben der Plain-Hardegger gelangten die Grafenwörther Besitzungen über das Erbe Wilbirgs, der Witwe des letzten Plainer Grafen, schließlich an Berthold I. v. Maidburg. Berthold, der Begründer der jüngeren Hardegger Grafenlinie, überließ den Grafenwörther Besitz 1318 den Schaunbergern, die sich bereits bei der Übergabe der Grafschaft an die Maidburger auf alte Rechte berufen hatten. Nach dem Tod Konrads v. Schaunberg 1353 dürfte Grafenwörth, wie auch andere Besitzungen, an die Maissauer gekommen sein. Otto, der Letzte dieses Geschlechts, verkauft nämlich 1433 die freieigene Hft. Grafenwörth (Markt und Feste!) samt dem landesfürstlichen Landgericht, mit dem man bereits seinen Vater Konrad v. Maissau belehnt findet (Tepperberg: LB.A.III., 40, Nr. 253), seinem Burggrafen zu Horn Erhard Kälberharter. Mit dem Aussterben der Kälberharter nach der M. d. 16. Jhs. (Siebmacher NÖ I, 216 f.) gelangte die Hft. an Hans Rueber auf Pixendorf, um schließlich 1628 nach mehreren Besitzerwechseln unter Johann Baptist v. Verdenberg mit Grafenegg vereinigt zu werden.
Die Burg, M. d. 16. Jhs. erst neu erbaut, wird angeblich 1645 von den Schweden zerstört. Nach dem Wiederaufbau als vierflügelige Schlossanlage wird das Bauwerk letztlich im ausgehenden 18. Jh. abgebrochen. Bemerkenswert ist, dass hier 1290 Albrecht I. v. Görz-Tirol seinem Notar Heinrich, der in erster Linie in Diensten seiner Schwiegermutter stand, eine "curiam quandam sitam in Grafenwerde" als Burgrechtslehen überträgt (StiA Herz., Dürnstein Klarissen Urk., Nr. 5). Der sogenannte Schlüsselhof (Top. NÖ 3, 641) ist urspr. ein unter herrschaftlicher Vogtei stehender Zehenthof des Chorherrenstiftes Herzogenburg (UB Herz., 97 f., Nr. 94), das hier auch über lehenbaren Hof verfügt, der bereits 1311 erwähnt wird (ebd., 38, Nr. 44).
Text
G.M.
Lage/Baubeschreibung
Das Schloss von Grafenwörth lag ca. 450 m südsüdöstl. der Pfarrkirche. Die noch heute gut erkennbare Lagestelle innerhalb einer (im Jahr 2004) noch unbebauten, rund 180 x 100 m großen Fläche, unmittelbar am orographisch rechten Ufer des Mühlkamp, liegt innerhalb der örtlichen Verbauung südl. der Ortsdurchfahrt.
Innerhalb dieses Areals sind die Erdsubstruktionen der Anlage, die sich mit deutlichen, mehrere Meter hohen Böschungen vom Vorfeld abgrenzen, tlw. erhalten. Gut erhalten zeigen sich die NW-Front und zumindest Teile der NO-Front. Die Anlage war offensichtlich von einem breiten Wassergraben umgeben. Durch den nordwestl. Graben führt ein tlw. verrohrtes Nebengerinne des Mühlkamp, das knapp nördl. der Anlage in diesen mündet. Es erscheint nahe liegend, dass auch die anderen, nicht mehr erhaltenen Grabenabschnitte durch entsprechende Bäche gespeist werden konnten. Die Erdsubstruktionen waren zur Zeit der Begehung als riesiger, planierter Schutthügel erhalten, im SO und SW, wo die Anlagen bereits zerstört waren, schlossen rezente Bauschuttdeponien an. Der Zugang erfolgt heute, wie auch urspr. von NW, wo von der Ortsdurchfahrt eine Nebenstraße über den Mühlkamp und in Verlängerung über den ehem. Wassergraben zur ehem. Toranlage führte. Der Wassergraben wird noch heute von einer mehrbogigen Brücke überspannt. Von der Toranlage ist die mit Putzquaderung versehene Torwand erhalten, die ein zentrales, rundbogiges Fahrtor und 2 flankierende Nebenpforten besaß. Die linke Pforte zeigt Spuren der ehem. Zugbrückenrolle, entsprechende Einrichtungen besaßen wohl auch die anderen Öffnungen.
Der Stich Vischers von 1672 zeigt das prächtig ausgebaute, bastionär befestigte Schloss. Der 4-flügelige Kernbau stand wohl im Zentrum des Areals, die Baulinie des äußeren Berings mit seinen spitzwinkeligen Eckbastionen markiert vermutlich die Böschung der Erdsubstruktion. Mit der von Vischer dargestellten Toranlage sind die erhaltenen Reste lagemäßig, sonst jedoch nur bedingt in Übereinstimmung zu bringen.
Ortsbewohner wissen noch von bewohnbaren Nachfolgebauten an der Stelle des Schlosses und sprechen von einem „Herrenhaus“, zu dem die ehem., als Wohnhaus adaptierte Mühle an der Ortsdurchfahrt gehörte. Auf dem ehem. Schlossgelände ist für 2004/05 die Errichtung eines Pflege- und Sozialzentrums geplant, benachbart soll ein „Wohnpark“ entstehen. Baubegleitende Grabungen 2004 zeigten, dass das Schloss durch den Abriss und spätere Geländeplanierungen bis in den Fundamentbereich zerstört war. Dennoch konnten Teile der östlichen Kurtinenmauer und eines Wohngebäudes dokumentiert werden. In einen vorspringenden Eckrisalit des Gebäudes waren Reste des mittelalterlichen Bergfrieds mit 1,70 m Mauerstärke und einer lichten Weite von 3 m integriert, dessen Mauertechnik nach Auskunft der Ausgräberin Jasmine Wagner auf eine Bauzeit in der 1. H. d. 13. Jhs. hindeutet. Somit kann das Schloss als standortgleicher Nachfolgebau der mittelalterlichen Burg Grafenwörth angesprochen werden.
Text
G.R., T.K., K.Kü.
Literatur
- Georg Binder, Die Niederösterreichischen Burgen und Schlösser (2 Bde.). Wien–Leipzig 1925 II, 62
- Gerhard Reichhalter, Karin Kühtreiber, Thomas Kühtreiber (mit Beiträgen von Günter Marian, Roman Zehetmayer), Burgen Weinviertel (hg. v. Falko Daim). Wien 2005, 141 f.
- Rudolf Büttner, Das Ministerialengeschlecht der Eisenbeutel und das Besitztum der Grafen von Schaunberg im Viertel ober dem Wienerwald. Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich N. F. 38, Wien 1968/70, 243–282, 249
- Dehio Niederösterreich, nördlich der Donau (hg. v. Bundesdenkmalamt). Wien 1990, 307 f.
- Roman Zehetmayer, Das Urbar des Grafen Burkhard III. von Maidburg-Hardegg aus dem Jahre 1363. Mit einer Einleitung zur Struktur der Grafschaft Hardegg im 14. Jahrhundert. Fontes Rerum Austriacarum III/15, Wien–Köln–Weimar 2001, 68
- Heinrich Weigl, Historisches Ortsnamenbuch von Niederösterreich (Reihe A), Band I–VII, Wien 1964–1975. – Fritz Eheim, Max Weltin, Historisches Ortsnamenbuch von Niederösterreich (Reihe A). Ergänzungen und Berichtigungen, Band VIII, Wien 1981 II und VII, G 261, W 225
- Karl Lechner, Der Tullner Bezirk zur Babenbergerzeit, Heimatkunde des Verwaltungsbezirkes Tulln 6. Die Geschichte des Bezirkes Tulln (hg. v. Arbeitsausschuß der Lehrerarbeitsgemeinschaft des Bezirkes Tulln). Heimatkalender des Bezirkes Tulln 1954, 35–74, 45, 47
- Günter Marian, Studien zu Trübensee im Mittelalter. Unveröffentlichtes Manuskript, St. Pölten 2004
- nöla. Mitteilungen aus dem Niederösterreichischen Landesarchiv (Wien, St. Pölten 1977 ff.) 10, 94 f., Nr. 141
- nöla. Mitteilungen aus dem Niederösterreichischen Landesarchiv (Wien, St. Pölten 1977 ff.) 9, 32 f., Nr. 131; 42
- Maximilian Weltin (unter Mitarbeit von Dagmar Weltin, Günter Marian, Christina Mochty-Weltin), Urkunde und Geschichte. Niederösterreichs Landesgeschichte im Spiegel der Urkunden seines Landesarchivs. Die Urkunden des Niederösterreichischen Landesarchivs 1109–1314. Niederösterreichisches Urkundenbuch Vorausband. St. Pölten 2004, 219, 251
- Lambert Pekarek, Markt Grafenwerd. Ein Heimatbuch. Grafenwörth o. J. (²1978), 5–22
- Brigitte Rigele, Die Maissauer. Landherren im Schatten der Kuenringer. Dissertation Universität Wien 1990, 316 ff.
- Topographie von Niederösterreich (hg. v. Verein für Landeskunde von Niederösterreich). Wien 1877 ff. III/1896, 646 f., 652, 655
- Georg Matthäus Vischer, Topographia Archiducatus Austriae Inferioris Modernae 1672. Reprint Graz 1976 V.U.M.B., Nr. 25
- Roman Zehetmayer, Die Struktur der Herrschaft Hardegg im 14. Jh. Ungedruckte Staatsprüfungsarbeit Institut für Österreichische Geschichtsforschung Wien 1997, 44 ff.