Hauptburgenname
Krut I
ID
591
weitere Burgennamen
Großkrut, Böhmisch-Krut
Objekt
nicht mehr erhaltene Wehranlage|Adelssitz|Burgstelle
KG
Großkrut
OG/MG/SG
Großkrut
VB
Mistelbach
BMN34 rechts
778850
BMN34 hoch
389655
UTM 33N rechts
0
UTM 33N hoch
0
Link auf NÖ-Atlas
Lage auf Karte im NÖ-Atlas ...
Geschichte
Das urspr. Reichsgut ist früh an Richwin, Bruder Gf. Diepolds I. aus dem Angstgau übergeben. 1055 gelangt nach dessen Ächtung u. a. die Siedlung "Chrubaten" an Passau. Die Babenberger versuchen neben der Vogtei auch den Herrschaftsbesitz an sich zu bringen, wogegen sich Passau widersetzt. Rudolf I. v. Habsburg widmet "Chrut" dem 1280 gegründeten Dominikanerinnenkloster in Tulln, das bis 1782 Besitzer bleibt. 1317 erscheinen Friedrich von Chrut und 1375 Clemens von Chrut, beide wahrscheinlich klösterliche Dienstleute. 1782 kommt der Ort an den Religionsfonds, 1806 an Franz de Paula Gf. Cohary.
Nach Übergabe an das Kloster Tulln ist mit der weitgehenden Aufgabe des Wehrbaues zu rechnen, der in der Folge die wirtschaftlichen und sakralen Funktionen des Klosters übernimmt. Durch die Kriege des 15. Jhs. kommt es aber zu einer erneuten Befestigung des Areals, so wird 1497 der Wehrturm der Kirche errichtet. 1663 ist der Ort zum Fluchtort bestimmt, wird aber 1683 zerstört. 1850/54 wird die Kirchhofbefestigung abgetragen.
Text
G.R., T.K., K.Kü.
Lage/Baubeschreibung
Die Lage der mutmaßlichen "Burg-Kirchen-Anlage" ist durch die im Zentrum des Ortes in geringer Höhenlage situierte Pfarrkirche angegeben. Büttner versucht die ehem. Burg an Stelle des heutigen Gasthofes, westl. gegenüber der Kirche zu lokalisieren. Neugebauer verweist jedoch auf den Bereich im N der Kirche, wo seit den 70er-Jahren des 20. Jhs. das neue Rathaus liegt.
Letztere Vermutung erscheint nahe liegender, zumal einige Indizien dafür vorliegen und die Lage im N der Kirche eine geeignetere Verbindung von Burg und Kirche gestattet hätte. Bereits eine Sage erzählt von einem an der Stelle des Rathauses gelegenen Jagdschlosses, das mit den Ereignissen der Schlacht von Dürnkrut und Jedenspeigen in Verbindung gebracht wird und in dem sich Rudolf I. v. Habsburg mehrmals aufgehalten haben soll. Älteren Berichten zufolge stand das alte Rathaus über einen "Schwibbogen" mit der Kirche in Verbindung. Der angeblich bereits nach 1683 zum Rathaus umfunktionierte Bau wurde A. d. 70er-Jahre des 20. Jhs. abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Obwohl dabei Mauern von Altbauten entfernt wurden, fanden keinerlei Dokumentationen statt, Kleinfunde werden heute angeblich im Rathaus aufbewahrt. Eine um 1670, also mglw. vor verschiedenen Umgestaltungen zu datierende, historische Ansicht zeigt den mauerumgebenen Kirchenbau und unmittelbar benachbart einen kleinen Gebäudekomplex, der von einem dreieckigen(!), turmartigen Bau deutlich überragt wird. Lagemäßig ist hier der Bereich des Rathauses zu sehen. Neugebauer hält unter Berücksichtigung sämtlicher Aspekte einen kirchennahen Sitz für durchaus möglich.
Die heute von einer gepflegten Parkanlage umgebene, dominante Kirche zeigt eine komplexe bauliche Abfolge. Unverputztes Quadermauerwerk dokumentiert den rom. Kernbau in Form des heutigen Langhauses und den Restteilen eines eingezogenen Chorquadrates. Klaar hielt das nördl. Seitenschiff für eine Erweiterung der Spätgotik, doch zeigt sich auch hier qualitätsvolles Quadermauerwerk, wodurch bereits frühzeitig ein N-Schiff anzunehmen ist, welches das Langhaus, das bis zu den rom. Traufsteinen erhalten ist, erweiterte. Bei Arbeiten im Inneren konnte 1987 überdies die Apsis des nördl. Seitenschiffes aufgedeckt werden. Von kunsthistorischer Bedeutung ist die kleine südl. Seitenkapelle. Der kleine, polygonal geschlossene Quaderbau datiert mit seinen halbrunden Wandvorlagen und den schmalen Lanzettfenstern wohl in die Regierungszeit Kg./Hzg. Ottokars II. und wird zumeist seinem unmittelbaren Einflussbereich zugeschrieben. Die letztgültige Gestalt ist Erweiterungen der späten Gotik zuzuweisen, so weist die ehem. Inschrift "1497" am massigen, sekundär an den Hauptchor gestellten Kirchturm auf dessen Errichtung. Bis auf den markanten, 8-eckigen Turmaufsatz fanden an der Kirche keine barocken Umgestaltungen statt.
Text
G.R., T.K., K.Kü.
Erhaltungszustand/Begehbarkeit
Sitz abgekommen, Gelände frei zugänglich.
Literatur
- Georg Binder, Die Niederösterreichischen Burgen und Schlösser (2 Bde.). Wien–Leipzig 1925 II, 133
- Gerhard Reichhalter, Karin Kühtreiber, Thomas Kühtreiber (mit Beiträgen von Günter Marian, Roman Zehetmayer), Burgen Weinviertel (hg. v. Falko Daim). Wien 2005, 155 f.
- Rudolf Büttner, Burgen und Schlösser vom Marchfeld bis Falkenstein. Burgen und Schlösser in Niederösterreich 13 (Birken-Reihe), Wien 1982, 133 f.
- Dehio Niederösterreich, nördlich der Donau (hg. v. Bundesdenkmalamt). Wien 1990, 336 ff.
- Karl Lechner (Hg.), Handbuch der Historischen Stätten Österreich 1, Donauländer und Burgenland. Stuttgart ²1985, 286
- Karl Kafka, Wehrkirchen Niederösterreichs I. Wien (Birkenverlag) 1969, 70 ff.
- Erwin Kupfer, Das Königsgut im mittelalterlichen Niederösterreich vom 9. bis zum 12. Jahrhundert. Studien und Forschungen aus dem Niederösterreichischen Institut für Landeskunde 28, St. Pölten 2000, 137 ff.
- Jiri Kuthan, Přemysl Ottokar II. König, Bauherr und Mäzen, Höfische Kunst im 13. Jahrhundert. Wien–Köln–Weimar 1996, 201 ff., 350 f.
- Johannes-Wolfgang Neugebauer, Wehranlagen, Wallburgen, Herrensitze sowie sonstige Befestigungen und Grabhügel der Urzeit, des Mittelalters und der beginnenden Neuzeit im pol. Bezirk Mistelbach. Veröffentlichungen der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Ur- und Frühgeschichte XI–XII, Wien 1979, Nr. 20
- Friedrich B. Polleroß, Baugeschichte der Pfarrkirche zum hl. Stephan in Großkrut. Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich N. F. 48/49, 1982/83, Wien 1983, 20–69
- Alexander Weiger, Großkrut, Pfarrkirche St. Stephan. Christliche Kunststätten Österreichs 237, Salzburg 1993