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Hauptburgenname Rußbach
ID 599
weitere Burgennamen Großrußbach
Objekt Schloss
Adresse A-2114 Großrußbach, Schloßbergstraße 8
KG Großrußbach
OG/MG/SG Großrußbach
VB Korneuburg
BMN34 rechts 756612
BMN34 hoch 370754
UTM 33N rechts 0
UTM 33N hoch 0
Link auf NÖ-Atlas Lage auf Karte im NÖ-Atlas ...
Zufahrt PKW: Bei Karnabrunn oder Wetzleinsdorf von der B 6 (Korneuburg – Ernstbrunn) östl. Richtung Großrußbach abzweigen. Das Schloss liegt unmittelbar an der Ortsdurchfahrt im N des Ortes. RAD: Großrußbach liegt an keinem der großen Radwege, ist jedoch über ein dichtes Netz lokaler Verbindungswege, etwa bei Ernstbrunn vom "Leiserbergweg" südl. abzweigend, erreichbar.
Geschichte 1135 wird Rußbach unter den 13 Eigenpfarren der Babenberger genannt, die mutmaßlich bereits im 11. Jh. aus vohburgischen Besitz in markgräfliche Hand gekommen sind. Um die M. d. 12. Jhs. sind Herbord und seine Frau Hildegard belegt. Nach seinem Tod gelangt der Besitz an die Hrn. v. Merkersdorf, die durch ihre Leitnamen Wernhard, Ortolf und Gerung auch in Großrußbach seit dem späten 12. Jh. als Seitenlinie nachgewiesen sind. Weitere Angehörige der Familie erscheinen bis in das 13. Jh. Im 14. Jh. wird das Lehen, der Sitz, zugunsten einer Pfarrherrschaft aufgelassen. Der verfallene Pfarrhof wird 1593 instandgesetzt, nach Büttner/Madritsch ist auch eine Neubefestigung des Kirchen- und Pfarrhofkomplexes anzunehmen. 1734/54 kommt es unter Pfarrer Franz Anton Mayrn zu grundlegenden Neubautätigkeiten. 1751/55 gelangt der Besitz durch Maria Theresia an das Collegium Theresianum. 1893/94 erwirbt Baron Lothar v. Pfisterer-Auhof Gut und Schloss, 1948 folgt im Erbweg das Erzbistum Wien. Als Besitzer erscheint noch heute die Erzdiözese Wien, die im Schloss ein Bildungshaus für außerschulische Jugend- und Erwachsenenbildung führt.
Text G.R., T.K., K.Kü.
Lage/Baubeschreibung Das Schloss, Schloßbergstraße Nr. 8, liegt unmittelbar an der nach Niederkreuzstetten führenden Ortsdurchfahrt am nordöstl. Ortsausgang. Gemeinsam mit der Pfarrkirche ist es auf einer nur mäßig von der Siedlung abgesetzten Terrasse am orographisch linken Ufer des Rußbaches situiert. Schloss und Kirche bebauen ein durch Böschungen von der Ortsdurchfahrt getrenntes, etwa NO-SW orientiertes Areal. Im etwas tiefer gelegenen, südwestl. Bereich liegt das heutige Schloss, ein nicht völlig regelmäßiger, 2-gesch. 4-Flügelbau. Nach Dehio geht der heutige Komplex auf Bauteile des 15./16. Jhs. zurück, eine Datierung, die sich heute nicht mehr nachvollziehen lässt. Der heutige SO-Trakt wird allgemein als "alter Pfarrhof" bezeichnet. Den Schlosscharakter erhält der Bau durch den regelmäßigen, repräsentativ gestalteten SW-Trakt, dessen Hauptfront sich der südwestl. Vorhof- und Zugangssituation zuwendet. Die 2-gesch., 11-achsige Fassade ist durch einen giebelgekrönten 3-achsigen Mittelrisalit betont, in dessen Erdgeschoß die rundbogige, pilaster- und gesimsgerahmte sowie mit Stuckdekor versehene Toreinfahrt angelegt ist. Die Erdgeschoßzone ist genutet, die Fenster des Obergeschoßes sind durch sparsamen Putzfelddekor und durch reizvolle, am Mittelrisalit etwas aufwändiger ausgeführte, geschwungene Verdachungen betont. Eine Bauinschrift nennt das Jahr 1739, wohl den Zeitpunkt der Fertigstellung der SW-Front. Die Erdgeschoßräume sind durchwegs mit Stichkappen- oder Kreuzgratgewölben geschlossen, die Räume des Obergeschoßes besitzen z. T. Stuckdecken der Zeit um 1740. Aufwändiger dekoriert ist der wieder der urspr. Verwendung zugeführte Kapellenraum des SW-Traktes, dessen 2-joch. Raum ein aufwändig stuckiertes Stichkappengewölbe der Zeit um 1660/80 besitzt. Die heute geschlossen wirkende Anlage entstand erst durch die Errichtung des im Stil angepassten NW- und NO-Traktes 1980/81, in diesem Zeitraum wurde auch der gesamte Altbestand einer durchgreifenden Restaurierung und Adaptierung unterzogen. Weitere Aufschlüsse zur Baugeschichte gestatten die Innenbereiche heute nicht mehr. Der als "Pfarrhof" angesprochene SO-Trakt, dessen Fassadendekoration dem Schloss angeglichen wurde, ist mglw. der älteste Bauteil, wenn auch die tatsächliche Funktion des Baues vorweg in Frage gestellt werden soll. Anlässlich der Restaurierung wurden an der zur Kirche gewandten und gegenüber dem Neubautrakt etwas zurückgezogenen NO-Mauer 2 bemerkenswerte Schartenöffnungen freigelegt und sichtbar belassen. Die charakteristischen, stark gefasten Werksteingewände der schmalen Lichtöffnungen lassen eine Zeitstellung ab dem späten 13., zumindest im frühen 14. Jh. vermuten. Die im Dehio vorgeschlagene Datierung der Öffnungen in die Spätgotik ist zu revidieren. Weitere entsprechende Befunde sind nach Auskunft der Verwaltung jedoch nicht vorhanden. Die unmittelbar nordöstl. des Schlosses etwas erhöht situierte Pfarrkirche Hl. Valentin ist ein überraschend großvolumiger, 3-schiffig-3-jochiger Staffelbau mit einem der Breite des Mittelschiffes entsprechenden Chorbau mit 7/12-Schluss sowie einem südl. an diesen angestellten Turm. Nach Dehio datiert das Langhaus mit Ausnahme des nach einem Brand von 1947 erneuerten Mittelschiffgewölbes in die 2. H. d. 15. Jhs., der Chor noch in die 2. H. d. 14. Jhs. Diese, den spätgot. Detailformen folgende Datierung ist wohl zutreffend, manche Befunde berechtigen jedoch zu einigen Ergänzungen. Der gesamte Bau zeigt außen unverputztes Bruchsteinmauerwerk, dessen Mörtelfugen stark rezent überarbeitet wurden. Zumindest im Bereich der westl. Mittelschiffwand sind dennoch stärke Ansätze zu niedrigen Arbeitshöhen zu beobachten, die in Verbindung mit der geringen Auszwickelung des Mauerwerks die Einbeziehung älterer Bauteile andeutet. Oberhalb des heutigen W-Portales sind die Reste eines vermauerten, werksteingerahmten Hocheinstieges vorhanden, der wohl zur Erschließung einer Empore gedient hat, mglw. Bezug nehmend auf einen heute nicht mehr erhaltenen Bau im SW der Kirche. Bereits im Kirchenführer wird der relativ mächtige S-Turm, allerdings ohne nähere Erklärung, als ältester Bauteil gesehen. Seine schmalen Lichtscharten zeigen formale Verwandtschaft zu den beiden Lichtscharten des "Pfarrhofes", bemerkenswert ist jedoch eine im Erdgeschoß der O-Mauer angebrachte Schartenöffnung mit spitzbogigem, gefastem Werksteingewände, die eine Entstehung in der Spätgotik ausschließt. Genannte Details sind gemeinsam mit der Mauerstruktur mglw. dem späten 13. Jh., zumindest aber dem frühen 14. Jh. zuzuweisen. Wenn auch die bereits für das 11. Jh. postulierte "Burg-Kirchen-Anlage" bauhistorisch nicht (mehr) nachzuweisen ist, so lässt die nachbarliche Nähe beider Nachfolgebauten diese Ansprache bedingterweise als gerechtfertigt erscheinen.
Text G.R., T.K., K.Kü.
Erhaltungszustand/Begehbarkeit Restaurierte Schlossanlage. Entsprechend der Nutzung als kath. Bildungshaus zugänglich.
Touristische Infrastruktur Parkmöglichkeiten im Ortsgebiet, für Gäste im Vorhof des Schlosses. Das Schloss ist heute, nach gelungener Restaurierung und Adaptierung, als Bildungs- und Tagungsstätte der Erzdiözese Wien in Verwendung. Mehrere Tagungsräume bzw. -säle mit entsprechender Infrastruktur sowie ein großzügiges Zimmerangebot gestatten sowohl kirchlichen als auch nicht-kirchlichen Einrichtungen, Organisationen oder Unternehmungen hier Veranstaltungen, Tagungen, Konferenzen, etc. abzuhalten. Eine Besichtigung richtet sich ggf. nach der Nutzung, beschränkt sich sinnvoller Weise jedoch auf die Außenbereiche.
Gasthäuser GH "Jägerwirt" in Großrußbach, Heuriger Dersch in Großrußbach.
Literatur
  • Georg Binder, Die Niederösterreichischen Burgen und Schlösser (2 Bde.). Wien–Leipzig 1925 II, 125
  • Gerhard Reichhalter, Karin Kühtreiber, Thomas Kühtreiber (mit Beiträgen von Günter Marian, Roman Zehetmayer), Burgen Weinviertel (hg. v. Falko Daim). Wien 2005, 164 ff.
  • Rudolf Büttner, Renate Madritsch, Burgen und Schlösser vom Bisamberg bis Laa/Thaya. Burgen und Schlösser in Niederösterreich 14 (Birken-Reihe), St. Pölten–Wien 1987, 67 ff.
  • Georg Clam-Martinic, Österreichisches Burgenlexikon. Linz ²1992, 129
  • Dehio Niederösterreich, nördlich der Donau (hg. v. Bundesdenkmalamt). Wien 1990, 349 f.
  • Georg Henschling, Großrußbach, Pfarrkirche zum Hl. Valentin. Christliche Kunststätten Österreichs 342, Salzburg 2000
  • Karl Lechner (Hg.), Handbuch der Historischen Stätten Österreich 1, Donauländer und Burgenland. Stuttgart ²1985, 288 f.
  • Leopold Holzmann, Peter Straka, Großrußbach Chronik 1050–1982 (hg. v. Marktgemeinde Großrußbach). Großrußbach 1985, 147 ff.
  • Manfred Jasser et al, Schlösser und Burgen im Weinviertel. Schriftenreihe Das Weinviertel 3 (hg. v. Kulturbund Weinviertel), Mistelbach 1979, 94
  • Karl Kafka, Wehrkirchen Niederösterreichs II. Wien (Birkenverlag) 1970, 135
  • Maximilian Weltin (unter Mitarbeit von Dagmar Weltin, Günter Marian, Christina Mochty-Weltin), Urkunde und Geschichte. Niederösterreichs Landesgeschichte im Spiegel der Urkunden seines Landesarchivs. Die Urkunden des Niederösterreichischen Landesarchivs 1109–1314. Niederösterreichisches Urkundenbuch Vorausband. St. Pölten 2004, 237 f.
  • Heinrich Uhlirz, Orte des Gerichtsbezirkes Korneuburg. In: Karl Keck (Red.), Heimatbuch des politischen Bezirkes Korneuburg (Gerichtsbezirk Korneuburg und Stockerau) 1 (hg. v. Bezirksschulrat Korneuburg), Korneuburg 1957, 219–376, 237 ff.
Rußbach. Die Zugangssituation des Schlosses (2004) - © Thomas Zoder
Rußbach. Die Zugangssituation des Schlosses (2004)
© Thomas Zoder