Hauptburgenname
Michelstetten II
ID
853
Objekt
Schlossruine
Adresse
A-2151 Michelstetten
KG
Michelstetten
OG/MG/SG
Asparn an der Zaya
VB
Mistelbach
BMN34 rechts
757176
BMN34 hoch
382887
UTM 33N rechts
0
UTM 33N hoch
0
Link auf NÖ-Atlas
Lage auf Karte im NÖ-Atlas ...
Geschichte
Die Herrschaftsgründung ist in das frühe 12. Jh. zu setzen. Personen, die sich nach Michelstetten nennen, sind bis in das 14. Jh. nachweisbar. Wann die Sitzverlagerung von der anzunehmenden älteren Anlage in Kirchennähe auf den jüngeren Sitz, das spätere Schloss erfolgt, ist nicht bekannt. Erst Oswald Moor, der ab 1518 Besitzer der Hft. ist, erbaut zwischen 1520/40 das heutige Schloss in Tallage. Doch ist auch hier ein Vorgängerbau, naheliegend des späten Mittelalters, anzunehmen. Im 14. Jh. ist die Hft. landesfürstliches Lehen, darauf erscheinen die Wehinger, die es 1367 zunächst als freies Eigen erworben hatten. 1415 wird ein Konrad v. Michelstetten genannt, 1455 gelangt die Hft. an Rudolf v. Tiernstein, 1470 an Ludwig Weitmüller und schließlich 1518 an Oswald Moor. Dessen Nachfolger sind Martin Reickher v. Thurn, Balthasar Neuhauser, die Frhn. v. Gera, 1623–1673 die Polheim, 1672–1828 die Sinzendorf und danach bis 1966 die Reuss-Köstritz. 1663 ist das Schloss noch als Fluchort bestimmt, 1893 wird es nach einem Brand dem Verfall überlassen. 1974 gelangt es an Dr. Eva Braunegger, letzter Besitzer war Leonard Swennen .
Text
G.R., T.K., K.Kü.
Lage/Baubeschreibung
Die ruinöse Schlossanlage liegt 250 m östl. der Pfarrkirche von Michelstetten innerhalb einer mauerumgebenen, ehem. Parkanlage. Die Niederungslage im Zentrum des Dorfes, neben dem Einschnitt des nördl. zur Zaya entwässernden Michelstettener Grabens bot geeignete Voraussetzungen zur Errichtung einer Wasserburg.
Michelstetten wurde bislang als Vertreter des frühen, der zeitgenössischen Festungsarchitektur verhafteten Schlossbaues des beginnenden 16. Jhs. gesehen. Im Verlauf der Objektbegehungen war kein Zutritt zum Objekt möglich. An Hand einiger historischer Fotos, die nicht unwesentliche Befunde erkennen lassen, ist jedoch eine „Ferndiagnose“ möglich, welche die bislang vertretenen Theorien zur Baugeschichte und vor allem deren überregionalen Kontext widerlegt. Die Anlage wurde nach dem Mauerwerksbefund bereits im 14. Jh. errichtet. Der fast kreisrunde, mit Rundungen anstatt mit Kanten geführte Bering der Anlage, der eine Fläche von durchschnittlich 45 m im Durchmesser umschließt, zeigt lagerhaftes Bruchsteinmauerwerk, das zu deutlichen Kompartimenten zusammengefasst wurde. Diese seit dem späten 13. Jh. angewandte Mauertechnik wird im Verlauf des 14. Jhs. aufgegeben. Nicht unberechtigt könnten daher die Wehinger als Bauherren vermutet werden, die spätestens seit 1426 im Besitz eines Schlosses sind. Eine alternative Frühdatierung im ausgehenden 13. Jh., noch unter den bis M. d. 14. Jhs. nachweisbaren Michelstettern, ist jedoch nicht auszuschließen. Mehrere zugesetzte Lichtscharten bzw. Fensteröffnungen stammen vom Primärbau bzw. dessen randständiger Bebauung. Mitunter zeichnen sich im Bereich des 1. Obergeschoßes Befunde ab, die auf die vermauerten bzw. überbauten Zinnen des Primärbaues weisen. Die mittelalterliche Bebauung wurde wohl im Zuge der Baumaßnahmen des 16. Jhs. in den umlaufenden Gebäudering integriert. Es steht zur Diskussion, ob diese als mehrphasig anzunehmen sind, denn 2 "spätgotische", mit reicher Verstäbung versehene Fensterrahmungen im Obergeschoß des NW-Traktes sind nur bedingt mit den sonst auftretenden reinen Renaissanceformen in Übereinstimmung zu bringen und könnten von frühen Baumaßnahmen ab etwa 1520 unter Oswald Moor stammen. Nach Zeißl ist neben den Moor auch Martin Reickher v. Thurn (zwischen 1556 und 1563) als Bauherr zu sehen, die "ungefähre Bauzeit des Schlosses" setzt er zwischen 1530/50 an. Nach nicht näher zitierten Quellenangaben dieser Zeit ließ Oswald Moor anlässlich der Neubauten einen Kalkofen errichten, an den noch heute die Flur "Kalkofenbreiten" erinnert. Im Zuge der Renaissanceumbauten, die sich nach der Besitzlage über einen längeren Zeitraum erstreckt haben dürften, entstand der noch heute rekonstruierbare Gebäudekomplex mit geschlossener randständiger Bebauung, dessen beide unteren Geschoße zur Bewohnung geeignet waren, während das 2. Obergeschoß ein unter einem Pultdach liegendes, von Schlüssellochscharten und Rechteckluken durchbrochenes Attikageschoß bildete. Oberhalb eines Kordongesimses wechseln Rundbogen- mit Segmentzinnen, hinter denen sich das ehem. Pultdach verbarg. Der von NO über die ehem. Toranlage erschlossene Innenhof war mit einem 2-gesch. Arkadengang umgeben, dessen gedrückte Segmentbögen von toskanischen Säulen getragen werden und der die Räume des Obergeschoßes verband. Ein Foto von 1896 zeigt neben dem heute in Ernstbrunn aufgestellten Brunnen den noch vollständig erhaltenen Arkadengang, an dem Reste einer umfassenden Sgrafittodekoration zu erkennen sind. Die jüngeren Baumaßnahmen, die nach den erschließbaren Detailformen wohl erst nach der M. d. 16. Jhs. zum Abschluss kamen, grenzen sich infolge des durchgängigen Misch- bzw. Ziegelmauerwerks klar von den aus reinem Bruchsteinmaterial bestehenden Bauteilen des 14. Jhs. ab. Die Anlage wird von einem unmittelbar an den Bering reichenden, umlaufenden Wassergraben umgeben, der heute stark von Bewuchs bedeckt ist und noch tlw. Wasser führt. Dieser Umstand führte wohl frühzeitig zu baulichen Schäden, denen man durch den Anbau von Strebepfeilern zu begegnen versuchte. Die unterschiedliche Ausbildung der Pfeiler sowie deren Baumaterial weisen auf eine entsprechende Laufzeit dieser Maßnahmen hin, die letztlich nicht den gewünschten Erfolgt brachten, denn heute ist der äußere Bering über weite Strecken eingestürzt. Diesen baulichen Schäden, die sich auch auf die Binnenbebauung auswirkten, konnte auch durch die seit jüngerer Zeit stattgefundenen Maßnahmen nicht Einhalt geboten werden. Lediglich 2 Gebäude im NO und S sind mit einem Pultdach gedeckt, das Obergeschoß des Arkadenganges wurde mit einem Notdach versehen. Die rezenten Eingriffe wirkten sich zudem nicht positiv auf das Erscheinungsbild des Baues aus.
Das Aussehen des 17. Jhs. überliefert der Vischer Stich, der die Höhe des Baues jedoch deutlich übersteigert. Die Anlage ist hier von ausgedehnten Wirtschaftseinheiten umgeben, von denen mglw. noch Teile – in Form ruinöser Wirtschaftsgebäude – zwischen Pfarrkirche und Schloss erhalten sind. Es bleibt zu bemerken, dass der Bau auch von außen nicht einsehbar ist, da der starke Baumwuchs und die Umfassungsmauer des Parks jeden Blick unterbinden.
Text
G.R., T.K., K.Kü.
Erhaltungszustand/Begehbarkeit
Privatbesitz, nicht öffentlich zugänglich.
Literatur
- Georg Binder, Die Niederösterreichischen Burgen und Schlösser (2 Bde.). Wien–Leipzig 1925 II, 126 ff.
- Gerhard Reichhalter, Karin Kühtreiber, Thomas Kühtreiber (mit Beiträgen von Günter Marian, Roman Zehetmayer), Burgen Weinviertel (hg. v. Falko Daim). Wien 2005, 59 f.
- Rudolf Büttner, Renate Madritsch, Burgen und Schlösser vom Bisamberg bis Laa/Thaya. Burgen und Schlösser in Niederösterreich 14 (Birken-Reihe), St. Pölten–Wien 1987, 122 ff.
- Georg Clam-Martinic, Österreichisches Burgenlexikon. Linz ²1992, 158
- Dehio Niederösterreich, nördlich der Donau (hg. v. Bundesdenkmalamt). Wien 1990, 736 f.
- Fundberichte aus Österreich (hg. v. Bundesdenkmalamt). Wien 1930 ff. 23/1984, 323
- Rudolf Hauptner, Dürer'sche Befestigungsbauten im nördlichen Niederösterreich. Das Waldviertel 51/2, Horn 2002, 155–177, 167 ff.
- Karl Lechner (Hg.), Handbuch der Historischen Stätten Österreich 1, Donauländer und Burgenland. Stuttgart ²1985, 423 f.
- Manfred Jasser et al, Schlösser und Burgen im Weinviertel. Schriftenreihe Das Weinviertel 3 (hg. v. Kulturbund Weinviertel), Mistelbach 1979, 100
- Johannes-Wolfgang Neugebauer, Wehranlagen, Wallburgen, Herrensitze sowie sonstige Befestigungen und Grabhügel der Urzeit, des Mittelalters und der beginnenden Neuzeit im pol. Bezirk Mistelbach. Veröffentlichungen der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Ur- und Frühgeschichte XI–XII, Wien 1979, Nr. 33d, e
- *Hartwig Neumann, Festungsbaukunst und Festungsbautechnik. Deutsche Wehrbauarchitektur vom XV. bis XX. Jahrhundert. Architectura militaris 1, Koblenz 1988, 228
- Renate Rieger, Das Schloß Michelstetten in Niederösterreich. Historische Schriftenreihe 52 (hg. v. Helmut Karl Rester), Asparn an der Zaya 2002, 27–51
- Georg Matthäus Vischer, Topographia Archiducatus Austriae Inferioris Modernae 1672. Reprint Graz 1976 V.U.M.B., Nr. 53
- Franz Zeißl, Michelstetten, Kirche und Schloß, o.O (Michelstetten 1935)