Hauptburgenname
Winklberg
ID
861
weitere Burgennamen
Mitterstockstall, Schloßberg
Objekt
Hausberg|Burgstall|Erdwerk
KG
Mitterstockstall
OG/MG/SG
Kirchberg am Wagram
VB
Tulln
BMN34 rechts
719086
BMN34 hoch
366649
UTM 33N rechts
0
UTM 33N hoch
0
Link auf NÖ-Atlas
Lage auf Karte im NÖ-Atlas ...
Zufahrt
Von der Ortsdurchfahrt Mitterstockstall gegenüber dem Talschloss bergwärts wenden.
Geschichte
Nach der Quellenevidenz (s. Beitrag „Winkl“) wird die Burg Winklberg durch Ortlieb v. Winkl im Zuge ihres regionalen Herrschaftsausbaues wahrscheinlich während der Zeit des "österreichischen Interregnums" errichtet. Unter Ortliebs Söhnen kommt es zur Teilung der Hft., wobei sein gleichnamiger Sohn bereits 1276 nach Winklberg genannt wird (UJM, Nr. 47), sich selbst aber erstmals 1310 nach diesem Sitz nennt (HHStA, Urk., 1310 VI 15). Auf der Burg Winklberg, die in Abwesenheit ihrer Herren von Gefolgsleuten verwaltet wird, unterhalten die Hrn. v. Winkl auch einen eigenen Kaplan, der die dem Hl. Achatius geweihte Burgkapelle betreut (FRA II/52, 481, Nr. 536; UbE VIII, 218, Nr. 204). Als Grablege dient ihnen die im benachbarten Kirchberg gelegene Kirche St. Stefan am Wagram (UbE VII, 258 ff., Nr. 348).
Während von den sechs Enkeln Ortliebs v. Winklberg zwei im geistlichen Stand Karriere machen – einer wird sogar Bf. v. Passau (Krick: Domstift, 39) – sind die anderen weder imstande, den auf Falkenberger und Wallseer zurückgehenden Besitz im Waldviertel zu halten (so z. B. HHStA, Urk., 1356 V 11; NÖLA StA, Urk., Nr. 491), was zum Teil mit einer horrenden Verschuldung bei Juden zusammenhängen mag (FRA II/21, 243 f., Nr. 258), noch gelingt es ihnen, die männliche Erbfolge zu sichern. Mit dem 1392 letztmalig erwähnten Weikard (HHStA, Urk., 1392 VII 22) stirbt die Winklberger-Linie im Mannesstamm aus.
Über eine Schwester Weikards (UbE VII, 495, Nr. 488; ebd. IX, 714, Nr. 580) gelangt das Erbe an die Hrn. v. Hohenberg (NÖLA StA, Hardegger Urk., Nr. 256; NB 1854, 114, Nr. 88). Mit Balthasar v. Puchheim ist erst vor der M. d. 16. Jhs. wieder ein Besitznachfolger auf Winklberg nachweisbar. Diesem folgen die Trenbeck, die kurz zuvor in den Besitz der Hft. Oberstockstall gelangten, 1556 die Oberheim, 1582 die Moser sowie 1606–1620 Hans Andrä v. Stadel, der die Hft. wegen seiner protestantischen Gesinnung verliert. 1629 kommt der Besitz an das Jesuitenkolleg in Krems. Die Jesuiten führen um 1700 Umbauten durch, 1715 wird der in Tallage gelegene Meierhof zum Schloss ausgebaut. Nach der Auflösung des Jesuitenordens 1773 fällt der Besitz an die Staatsgüteradministration, von der ihn die Fam. Salzgeber zu einem Zeitpunkt (1826) erwirbt, als von der urspr. Burg nur mehr eine Ruine besteht. Heutiger Eigentümer des Talschlosses und des jeglicher Mauerreste entledigten Hausberges ist die Fam. Schödl.
Text
G.M., G.R.
Lage/Baubeschreibung
Der Hausberg, hier allgemein als "Schloßberg" bezeichnet, liegt 1,2 km ostnordöstl. von Kirchberg am Wagram am N-Ende des Dorfes Mitterstockstall. Die Anlage ist oberhalb des neuen, an der Ortsstraße gelegenen Schlösschens, auf einer natürlichen Lößterrasse des Wagramabfalles, am orographisch linken Ufer des Gießbaches situiert. Der Flurname "Winkelberg" erscheint auf der ÖK 50/Blatt 39, doch knapp 1 km nördl. des Hausberges.
Gegenüber vom Talschloss zweigt ein tief eingeschnittener Hohlweg auf die beackerte, vorwiegend für Weinbau genutzte Hochfläche ab, die vom mächtigen Kernwerk der Anlage überragt wird. Nach Schad´n hatte dieses einen Durchmesser von rund 40 m und eine Höhe von 17–18 m. Der südl. Bereich ist stark abgegraben, im NO und O wurde der Hügel in jüngerer Zeit senkrecht abgebaggert um Raum für Weingärten zu gewinnen. Der von Schad´n noch beschriebene, ehem. 9 m breite, 2,5–4 m tiefe Ringgraben wurde zwecks landwirtschaftlicher Nutzung verebnet. Der Stich von Vischer aus dem Jahr 1672 zeigt das Schloss "Winckhelperg", das hierher zu beziehen ist. Das vermutlich von W dargestellte Schloss war ein stattlicher, burgartiger, polygonaler Bau mit 2 Türmen und einem südl. Vorwerk, das mglw. im Bereich der Abarbeitung im S des Kernwerks zu rekonstruieren ist. Der Stich zeigt gut die vorgelagerten Wall-Graben-Anlagen. Die Hochfläche war bereits hallstatt-/latènezeitlich besiedelt, die 8–10 m hohe Aufschüttung des Kernwerks, dessen weitere Höhe durch Abgrabung gewonnen wurde, wäre nach Schwammenhöfer in das 11./12. Jh. zu datieren, was in auffälligem Widerspruch zur Quellenlage steht. Weitere Funde zeigen die Benützung der Burgstelle bis in die Neuzeit.
Bereits bevor das ruinöse Schloss ab 1820 zur Materialgewinnung vollständig abgetragen wurde, entstand 1715 unterhalb des Hausberges aus dem ehem. Meierhof der Herrschaft das heutige Schlösschen Winkelberg, Mitterstockstall Nr. 6, als standortverlagerter Nachfolgebau. Der rechteckige, 2-gesch. Kastenbau mit straßenseitigem Mittelrisalit und gartenseitiger Loggia liegt innerhalb einer kleinen Parkanlage und ist heute privat bewohnt.
Text
G.R., T.K., K.Kü.
Erhaltungszustand/Begehbarkeit
Gut erkennbare Hausberganlage, tlw. stark zerstört. Frei zugänglich.
Literatur
- Georg Binder, Die Niederösterreichischen Burgen und Schlösser (2 Bde.). Wien–Leipzig 1925 II, 60
- Gerhard Reichhalter, Karin Kühtreiber, Thomas Kühtreiber (mit Beiträgen von Günter Marian, Roman Zehetmayer), Burgen Weinviertel (hg. v. Falko Daim). Wien 2005, 226
- Fundberichte aus Österreich (hg. v. Bundesdenkmalamt). Wien 1930 ff. 23/1984, 323 f.
- Richard Hübl, Geschichte der Marktgemeinde Kirchberg am Wagram. Hg. Marktgemeinde Kirchberg am Wagram. Kirchberg am Wagram 1993, 41 ff., 66 f., 77 f., 101
- Manfred Jasser et al, Schlösser und Burgen im Weinviertel. Schriftenreihe Das Weinviertel 3 (hg. v. Kulturbund Weinviertel), Mistelbach 1979, 115
- Karl Lechner, Die geschichtliche Landschaft zwischen Donau und Wagram. Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich N. F. 27, Wien 1938, 30–70, 34 f., 53
- Karl Lechner, Besiedlungs- und Herrschaftsgeschichte. In: Eduard Stepan (Hg.), Das Waldviertel 7, Geschichte Bd. 2, Wien 1937, 1–276, 198
- Maximilian Weltin (unter Mitarbeit von Dagmar Weltin, Günter Marian, Christina Mochty-Weltin), Urkunde und Geschichte. Niederösterreichs Landesgeschichte im Spiegel der Urkunden seines Landesarchivs. Die Urkunden des Niederösterreichischen Landesarchivs 1109–1314. Niederösterreichisches Urkundenbuch Vorausband. St. Pölten 2004, 35, 157, 160 ff., 196, 257 f., 260 f., 338, 419, 421
- Hans P. Schad'n, Die Hausberge und verwandten Wehranlagen in Niederösterreich. Ein Beitrag zur Geschichte des mittelalterlichen Befestigungswesens und seiner Entwicklung vom Ringwall bis zur Mauerburg und Stadtumwehrung, Teil 1: Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft 80/3, 1950, 245–352; Teil 2: Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft 81/2–3, 1953, 25–185; – Hans P. Schad'n, Die Hausberge und verwandten Wehranlagen in Niederösterreich. Ein Beitrag zur Geschichte des Befestigungswesens und seiner Entwicklung vom Ringwall bis zur Mauerburg und Stadtumwehrung. Prähistorische Forschungen 3, Horn–Wien 1953, 179 f.
- Hermann Schwammenhöfer, Archäologische Denkmale III, Viertel unter dem Manhartsberg. Wien o. J. (1988), Nr. 62
- Georg Matthäus Vischer, Topographia Archiducatus Austriae Inferioris Modernae 1672. Reprint Graz 1976 V.U.M.B., Nr. 93