Hauptburgenname
Leis
ID
884
weitere Burgennamen
Niederleis
Objekt
Schloss
Adresse
A-2116 Niederleis 1
KG
Niederleis
OG/MG/SG
Niederleis
VB
Mistelbach
BMN34 rechts
754707
BMN34 hoch
380024
UTM 33N rechts
0
UTM 33N hoch
0
Link auf NÖ-Atlas
Lage auf Karte im NÖ-Atlas ...
Zufahrt
PKW: Über die B 6 (Korneuburg – Laa an der Thaya) erreicht man knapp nach Ernstbrunn, im Ortsgebiet von Au, die Abzweigung nach Niederleis, wo man unmittelbar zum Schloss gelangt. RAD: Nördl. von Ernstbrunn kann man vom "Leiserbergweg" über eine lokale Radroute, über Steinbach und Thomasl nach Niederleis abzweigen, dieser folgend trifft man unmittelbar nördl. zwischen Michelstetten und Buschberg auf den "Buschbergweg".
Geschichte
Um die M. d. 12. Jhs. erscheint urk. "Gerung de Lize". Genannte von Leis, die mit den Hrn. v. Maleisdorf verschwägert waren, treten zahlreich bis ca. 1300 auf. Von den Gfn. v. Schaunberg gelangt Niederleis tauschweise an die Prunner. 1311 sind Ruprecht und Ulrich von Leis genannt. Ab 1318 nennen sich Mitglieder der Fam. Maer, Lehensleute der Pillichsdorfer und der Rauhenecker, nach Niederleis. Nach 1414 können die Polheim und Fritzersdorfer als örtliche Grundherren angenommen werden. Nach 1471 nennt das Lehensverzeichnis Friedrichs III. Wolfgang v. Ludmannsdorf als Schlossherren. 1545 besitzen die Puchheim 1/4 des Schlosses, 1556 erscheinen hier die Reiker v. Michelstetten. 1572 erhalten die Maschko die Ortsobrigkeit, die als führende Protestanten 1620 den Besitz verlieren. Nach 1621 gelangt Niederleis an Seifried Breuner, später an Christoph Ferdinand Poppel v. Lobkowitz. 1645 ist das Schloss schwedischen Angriffen ausgesetzt. 1651 verkaufen die Poppel an das Kloster Heiligenkreuz. 1663 wird das Schloss als Zufluchtsort genannt. 1867 kommt der Besitz an Gf. Wallis, 1923 an Anna Gfn. Schaffgotsch. Das Schloss, das 1945/55 durch russische Besatzung und div. Folgeerscheinungen in Mitleidenschaft gezogen wird, ist noch heute im Besitz der Fam. Schaffgotsch und wird schrittweise restauriert.
Text
G.R., T.K., K.Kü.
Lage/Baubeschreibung
Das Schloss von Niederleis befindet sich etwa 1,1 km nördl. der Pfarrkirche am nördl. Ortsausgang. Der Bau liegt hier in völliger Niederungslage am orographisch linken Ufer des Niederleiser Baches, die Situierung und die überwiegend nördl. anschließenden Parkanlagen sind auf der ÖK 50/Blatt 24 gut ersichtlich.
Der überkommene Bau präsentiert sich als unregelmäßig-mehrflügelige, 2-gesch. Anlage, welche als Nachfolgebau einer wohl standortgleichen Wasserburg des Mittelalters zu sehen ist. Das Schloss bebaut eine etwa W-O orientierte Fläche von durchschnittlich 85 x 55 m. Der Bering beschreibt ein mehrfach abgewinkeltes Polygon, dem auch exakt die Hoffronten der randständigen Trakte folgen. Der für einen Schlossbau der Renaissance ungewöhnliche Grundriss lässt mglw. aus dem Mittelalter stammende, weiterbenutzte Baulinien oder sogar Bauteile vermuten; mglw. gestattete auch die Form des Wassergrabens keine regelmäßige Bauform. Anhand von Putzfehlstellen im Basisbereich sind tlw. stark ausgezwickelte, kleinteilige Bruchstein-Strukturen zu beobachten, die mglw. dem späten Mittelalter zuzuweisen sind. Das nur örtlich ungestörte Bruchsteinmauerwerk wird jedoch stellenweise stark von Ziegelanteilen gestört, die seinerseits auf sekundäre Reparaturen oder auf neuzeitliche Baumaßnahmen zurückgehen. Höhere Zonen zeigen bereits eine durchgehende Verwendung von Ziegel. Es ist folglich anzunehmen, dass das Schloss zum überwiegenden Teil eine Neuschöpfung des 16. Jhs. ist. Auch nach Dehio basiert der Ausbaustand auf Bautätigkeiten des 16. Jhs., eine nähere Eingrenzung bzw. die verantwortlichen Bauherren werden jedoch nicht genannt. Mglw. sind Mitglieder der protestantischen Fam. Maschko, die ab 1572 in Niederleis auftritt, als Bauherren zu vermuten. Der äußerlich durch 4 runde, zumeist traufhohe Ecktürme akzentuierte Bau vertritt in reizvoller Weise den Typus des "Festen Schlosses", dessen Wehrhaftigkeit bereits repräsentativ-traditionell zu sehen ist. Der wehrhafte Eindruck wird durch allseits angewandte, nach innen geneigte Pultdächer unterstützt, der Dachraum zeigt sich an der Feldseite durch ein von zahlreichen Schlüssellochscharten durchbrochenes 3. Geschoß. Der die Traufzone gering durchstoßende Torturm, an einer Abwinkelung im Zentrum der S-Front errichtet, ist zum Bauprogramm des "Festen Schlosses" zu rechnen. Die urspr. sehr nüchtern dekorierte, rustizierte Toranlage besitzt die Aufnahmenische und die Rollenschlitze einer ehem. Zugbrücke, im 3. Geschoß unterstützen 5 Schlüssellochscharten die bedingte Wehrfähigkeit. Entsprechende, für Handfeuerwaffen konzipierte und zur Flankierung der Kurtinen geeignete Scharten sind tlw. in der untersten Ebene der Ecktürme erhalten. Örtlich treten unter den zahlreichen jüngeren Putzschichten Reste der Sgrafitto-Dekoration des 16. Jhs. hervor. Der prächtige Schmuck bestand aus einer durchgehenden Quaderung und – wie an der O-Seite zu beobachten ist – aus einer relativ aufwändigen Umrahmung der Fenster.
Nach der Besitzübernahme durch das Kloster Heiligenkreuz ist mit baulichen Veränderungen zu rechnen, die mglw. auch in den Beschädigungen des Jahres 1645 begründet sind. Die Zugangssituation erhielt sparsamen Barockschmuck, neben dem Wappen des Klosters erscheint die Jahreszahl "1651", die mglw. jedoch nur den Beginn div. Bautätigkeiten dokumentiert, da der Stich Vischers von 1672 mehrere dachlose Türme erkennen lässt. Die heute erhaltene Durchfensterung mit einfach profilierten Steinrahmungen dürfte weitgehend barocken Ursprungs sein, da die Reste der Sgraffito-Dekoration des 16. Jhs. nicht mehr mit dieser korrespondieren. Die im Dehio als "Blendarkaden" angesprochene Fassadengliederung an der Hofseite des SW-Traktes entstand durch sekundäre Vermauerung von 2-gesch. Pfeilerarkaden und deren korbbogigen Öffnungen. Entsprechende Anlagen am S-Trakt öffnen sich im Erdgeschoß mit pfeilergestützten Bogenstellungen zum Hof, die Lisenengliederung im Obergeschoß lässt mglw. auch hier auf eine nachträgliche Vermauerung und Durchfensterung schließen. Der flachgedeckte Arkadengang am S-Trakt benutzt offensichtlich die Konsolen und die Steinüberlager einer älteren vorkragenden Situation, vermutl. des 16. Jhs. Im S-Trakt liegt die in Funktion stehende Schlosskapelle, eine 2-gesch. Raumanlage, die an der Feldseite durch 3 große Barockfenster erkennbar ist. Die Anlage der Kapelle, die nach Dehio nicht zeitlich eingeordnet wurde, ist nach der Form der Befensterung wohl in das 17. Jh. zu stellen, Hinweise auf ältere Bauteile sind nicht erkennbar. Der Sakralraum erfuhr in der 2. H. d. 19. Jhs. tlw. starke Umgestaltungen. Letztere erfolgten nach Erwerb des Schlosses 1867 durch die Gfn. Wallis, speziell ab 1882 durch Josef Gf. Wallis, der als Kunstmäzen und -sammler auftrat. Aus diesen, im Sinn des romantischen Historismus zu verstehenden Adaptierungen resultiert die noch heute weitgehend erhaltene Innenausstattung und der museale, wohnliche Charakter der Räume. Ehem. Wirtschaftsbereiche im N-Trakt wurden durch die Anlage des "Festsaales" im Obergeschoß entsprechend umfunktioniert. Restbestände der Sammlungen von Gf. Wallis, vervollständigen – sofern durch Kriegs- und Besatzungszeit nicht vernichtet – noch heute die Ausstattung.
Das Schloss liegt auf einer nur geringfügig gegenüber dem Bering verbreiterten Insel, die noch heute allseitig von einem tlw. teichartig vergrößerten Wassergraben umgeben wird. Der Graben geht mglw. auf eine – neuzeitlich adaptierte – Anlage des Mittelalters zurück. Die urspr. Holzbrücke wurde in der Barockzeit durch die heutige Steinbrücke, eine bogengetragene Konstruktion mit Steinbalustrade sowie Vasen- und Figurenschmuck, ersetzt. Die Anlage liegt innerhalb eines umfangreichen Parks, dessen überwiegender Teil im N des Schlosses liegt. Die Errichtungszeit dieses Landschaftsgartens wird nach Dehio in die Zeit um 1800 gesetzt, eine mglw. nicht befriedigende Datierung, da in der Architektur des Gartens zahlreiche ältere Figuren und Spolien des frühen 18. Jhs., nach Büttner/Madritsch bereits des späten 17. Jhs., enthalten sind. Eine dem Schloss nördl. vorgelagerte Altane vermittelte über eine Treppenanlage direkt zwischen Wohngeschoß und Park.
Die Zeit der russischen Besetzung wirkte sich äußerst negativ auf den Zustand von Schloss und Park aus, seit jüngerer Zeit finden laufend entsprechende Restaurierungsmaßnahmen statt. Das stimmungsvolle Ambiente des Festsaales bietet den Rahmen für fallweise stattfindende, kulturelle Veranstaltungen, das gepflegte Innere des Schlosses ist darüber hinaus für ein interessiertes Publikum – mit Führung – zugänglich.
Text
G.R., T.K., K.Kü.
Erhaltungszustand/Begehbarkeit
Gepflegte Schlossanlage. Bei telefonischer Anmeldung zu besichtigen.
Touristische Infrastruktur
Parkmöglichkeiten im Ortsgebiet von Niederleis, allenfalls kurzer Fußweg.
Die bewohnte, sehr gepflegte von einem Wassergraben umgebene Schlossanlage, die in reizvoller Art dem Typus des "Festen Schlosses" verhaftet ist, kann ausschließlich bei entsprechender, telefonischer Voranmeldung mit Führung besichtigt werden. Termine sind von Mai bis Oktober möglich.
Gasthäuser
GH "Zum Goldenen Adler" in Niederleis, GH Achter in Michelstetten, GH Wittmann in Klement, GH Mewald in Olgersdorf, GH "Zur Grünen Insel" in Ernstbrunn.
Literatur
- Georg Binder, Die Niederösterreichischen Burgen und Schlösser (2 Bde.). Wien–Leipzig 1925 II, 126
- Gerhard Reichhalter, Karin Kühtreiber, Thomas Kühtreiber (mit Beiträgen von Günter Marian, Roman Zehetmayer), Burgen Weinviertel (hg. v. Falko Daim). Wien 2005, 301 ff.
- Rudolf Büttner, Renate Madritsch, Burgen und Schlösser vom Bisamberg bis Laa/Thaya. Burgen und Schlösser in Niederösterreich 14 (Birken-Reihe), St. Pölten–Wien 1987, 147 ff.
- Georg Clam-Martinic, Österreichisches Burgenlexikon. Linz ²1992, 163
- Dehio Niederösterreich, nördlich der Donau (hg. v. Bundesdenkmalamt). Wien 1990, 791
- Manfred Jasser et al, Schlösser und Burgen im Weinviertel. Schriftenreihe Das Weinviertel 3 (hg. v. Kulturbund Weinviertel), Mistelbach 1979, 56, 63 ff.
- Laurin Luchner, Schlösser in Österreich I. München 1978, 136 f.
- Johannes-Wolfgang Neugebauer, Wehranlagen, Wallburgen, Herrensitze sowie sonstige Befestigungen und Grabhügel der Urzeit, des Mittelalters und der beginnenden Neuzeit im pol. Bezirk Mistelbach. Veröffentlichungen der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Ur- und Frühgeschichte XI–XII, Wien 1979, Nr. 39
- Maximilian Weltin (unter Mitarbeit von Dagmar Weltin, Günter Marian, Christina Mochty-Weltin), Urkunde und Geschichte. Niederösterreichs Landesgeschichte im Spiegel der Urkunden seines Landesarchivs. Die Urkunden des Niederösterreichischen Landesarchivs 1109–1314. Niederösterreichisches Urkundenbuch Vorausband. St. Pölten 2004, 30
- Georg Matthäus Vischer, Topographia Archiducatus Austriae Inferioris Modernae 1672. Reprint Graz 1976 V.U.M.B., Nr. 58