Hauptburgenname
Oberleis
ID
907
Objekt
Ansitz|Turmhof|Dorfturm
KG
Oberleis
OG/MG/SG
Ernstbrunn
VB
Korneuburg
BMN34 rechts
752748
BMN34 hoch
380050
UTM 33N rechts
0
UTM 33N hoch
0
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Lage auf Karte im NÖ-Atlas ...
Geschichte
Die Pfarre Oberleis, eine der 13 landesfürstlichen Eigenpfarren, ist 1135 urk. nachweisbar, doch wird die Gründung bereits M. d. 11. Jhs. vermutet. Vor 1142 erscheinen Enzo und Friedrich von Oberleis. In der 2. H. d. 12. Jhs. wird Otto von Leis genannt, er ist nach Büttner auf Oberleis zu beziehen. Das Kirchenlehen gelangt im 14. Jh. an die Gfn. Plankenstein-Peilstein, 1369 an die Passauer Bischöfe. Später steht Oberleis unter landesfürstlicher Vogtei. 1455 erhält Jörg v. Ror Zehente in Oberleis.
Text
G.R., T.K., K.Kü.
Lage/Baubeschreibung
Der kleine Weiler Oberleis liegt 3,5 km nördl. von Ernstbrunn auf einer Geländeterrasse am W-Abhang des 457 m hohen Oberleiserberges. Das Gipfelplateau der zum Massiv der "Leiserberge" zählenden Höhe besitzt eine besondere Siedlungsgunst und gehört zu den bedeutendsten ur- und frühgeschichtlichen Siedlungsplätzen des Landes. Besonders hervorzuheben ist der große spätantike Gebäudekomplex, der mutmaßlich einem germanischen Föderatenfürsten als Sitz diente und in der 2. H. d. 5. Jhs. verlassen wurde. Im 10./11. Jh. wurde um ein noch aufrecht stehendes, spätantikes Haus ein Friedhof angelegt, was eine Sekundärnutzung des Bauwerks als Kirche nahelegt. Münzen und Keramikfunde legen eine zeitgleiche Siedlung auf dem Berg nahe, ohne dass dafür bislang eindeutige archäologische Befunde vorhanden wären. Der frühen mutmaßlichen Kirche folgte im Hochmittelalter ein größerer Sakralbau, der im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit Ziel von Wallfahrten war; die Fundamente wurden im Zuge der archäologischen Untersuchungen ergraben.
Der mittelalterliche Sitz von Oberleis ist unmittelbar südl. der Pfarrkirche als Bauteil des Pfarrhofes, Oberleis Nr. 1, erhalten. Büttner berichtet von einem "verschwundenen Edelsitz" und von einer "turmartigen Ruine", ohne beide zueinander in Beziehung zu setzen. Die Bezeichnung "Ruine" ist heute nicht mehr zutreffend, da diese heute, vorbildlich restauriert, den südöstl. Teil des 1991/92 neu errichteten bzw. adaptierten Pfarrhofes bildet. Büttners kurze Erwähnung überrascht, ebenso die Erwähnung im Dehio, wonach der Bau als spätgot. Speicher vermutet wird. Äußerlich ist der 16,95 x 9,58 m große Bau als 3-gesch., walmdachgedeckter Kastenbau zu beschreiben. Durch starke Hanglage tritt er nördl. nur 2-gesch. in Erscheinung. Die Innenstruktur mit zwei Quermauern dürfte bereits auf ältere Bauphasen zurückgehen. Die heutige Form der Befensterung geht auf die Restaurierung zurück. Durch diese bieten auch die Innenräume, die heute ansprechend und nutzungsgerecht adaptiert sind, keinerlei Befundmöglichkeiten. An den Gebäudekanten ist die durchgehende Ortsteinquaderung sichtbar belassen. Private Fotos, die heute im Jugendheim verwahrt werden und welche die Bautätigkeiten dokumentieren, lassen den urspr. Bauzustand erkennen. Die mittels der Fotos dokumentierte Mauertechnik, tlw. lagiges, blockiges Bruchsteinmauerwerk, ist m. V. noch in das 13. Jh. zu datieren. Zahlreiche Störungen von Fensterdurchbrüchen oder Erneuerungen weisen auf spätere Bautätigkeiten hin. In diesem Zusammenhang ist mglw. die "1587" bezeichnete Spolie beim heutigen Eingang von Bedeutung. Im Bereich des 3. Geschoßes ragt aus dem Putz der NO-Wand eine filigrane, relativ aufwändig profilierte Konsole, die mglw. eine 3-seitig auskragende Konstruktion trug, wobei hier u. U. ein ehem. (frühgot.?) Apsidenerker vermutet werden kann.
Die Pfarrkirche liegt unmittelbar nördl. des Baues gegenüber der Zufahrt auf den Oberleiserberg. Kurz charakterisiert, integriert der Bau Teile einer rom. Saalkirche, die um die M. d. 14. Jhs. durch den Chor und um 1500 durch das südl. Seitenschiff erweitert wurde. Barocke Veränderungen erfolgten nur in geringem Maß, der W-Turm stammt aus dem Jahr 1807.
Der heute zumeist als "gotischer Wohnturm" bezeichnete Bau ist wohl als unmittelbarer Nachfolger eines für das 12. Jh. anzunehmenden Sitzes anzusehen. Die Form des Baues, die unverkennbar dem Typus des "Festen Hauses" folgt, zeigt klar dessen ehem. Sitzfunktion. Auf die unmittelbare Nachbarschaft eines rom. Sakralbaues ist zumindest hinzuweisen. Geländespuren von ehem. Außensicherungen sind heute nicht mehr festzustellen. Nach der Restaurierung von 1991/92, bei der auch der Neubau des 1962 abgebrochenen alten Pfarrhofes einbezogen wurde, ist der ehem. Sitz heute als "Kirchliches Jugendzentrum Oberleis" in Verwendung. Inwieweit der alte Pfarrhof eventl. auf mittelalterliche Bauteile zurückging, ist heute nicht mehr zu beantworten.
Text
G.R., T.K., K.Kü.
Erhaltungszustand/Begehbarkeit
Restaurierter Wohnturm. Im Rahmen der Nutzung als kirchliches Jugendzentrum zugänglich.
Literatur
- Gerhard Reichhalter, Karin Kühtreiber, Thomas Kühtreiber (mit Beiträgen von Günter Marian, Roman Zehetmayer), Burgen Weinviertel (hg. v. Falko Daim). Wien 2005, 93 ff.
- Rudolf Büttner, Renate Madritsch, Burgen und Schlösser vom Bisamberg bis Laa/Thaya. Burgen und Schlösser in Niederösterreich 14 (Birken-Reihe), St. Pölten–Wien 1987, 65 f.
- Dehio Niederösterreich, nördlich der Donau (hg. v. Bundesdenkmalamt). Wien 1990, 817 f.
- Herwig Friesinger, Alois Stuppner, Der Oberleiserberg bei Ernstbrunn. In: Herwig Friesinger, Fritz Krinzinger (Hg.), Der römische Limes in Österreich. Wien ²2002, 282 ff.
- Paul A. Herold, Die Herren von Seefeld-Feldsberg. Geschichte eines (nieder-)österreichischen Adelsgeschlechtes im Mittelalter. Studien und Forschungen aus dem Niederösterreichischen Institut für Landeskunde 27, St. Pölten 2000, 26, 45
- Renate Holzschuh-Hofer, Oberleis, Die Kirchen von Oberleis. Christliche Kunststätten Österreichs 238, Salzburg 1993
- Herbert Mitscha-Märheim, Bekanntes und Unbekanntes vom Oberleiserberg in neuer Sicht. Unsere Heimat 47/1, Wien 1976, 23–24
- Maximilian Weltin, Landesfürst und Adel – Österreichs Werden. In: Heinz Dopsch, Die Länder und das Reich. Der Ostalpenraum im Hochmittelalter. Österreichische Geschichte 1122–1278 (hg. v. Herwig Wolfram), Wien 1999, 218–261, 242