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Hauptburgenname Stockstall
ID 933
weitere Burgennamen Oberstockstall
Objekt Schloss
Adresse A-3470 Oberstockstall 1
KG Oberstockstall
OG/MG/SG Kirchberg am Wagram
VB Tulln
BMN34 rechts 718657
BMN34 hoch 366954
UTM 33N rechts 0
UTM 33N hoch 0
Link auf NÖ-Atlas Lage auf Karte im NÖ-Atlas ...
Zufahrt PKW: In Großweikersdorf von der B 4 südl., ca. 9 km Richtung Oberstockstall, bzw. in Fels am Wagram von der B 34 über Kirchberg am Wagram nach Oberstockstall abzweigen. Hier bei der Schlosseinfahrt am südl. Ortsausgang parken. Wenige Meter Fußweg. RAD: Vom "Wagramweg" in Kirchberg am Wagram nördl. nach Oberstockstall abzweigen.
Geschichte 1160 erscheint "Sihegard de Stochestale" der als "homo nobilis" bezeichnet wird. Nach Hübl ist Sigehard als Domherr zu identifizieren, der 1163 den örtlichen Zehenthof gründet. Genannte von Stockstall sind bis 1296 nachweisbar, wobei die Zuweisung zu Oberstockstall nicht gesichert ist. 1266 wird in Stockstall eine Badstube genannt (Kirchl. Top. 10, 133; Nr. 3). 1327 wird im Testament des Domherrn Rudger eine Kapelle im Hof des Pfarrhofes erwähnt, 1342 ist erstmals "superior Stokstal" (Oberstockstall) urk. bezeugt. Zunächst Passauer Wirtschaftshof, wird der Bau um 1548 durch den Passauer Domherren Christoph Trenbeck zum Herrschaftssitz ausgebaut. Trenbeck ist 1538 bis 1552 im Besitz der Herrschaft; während er als Pfarrherr von Kirchberg und Oberstockstall fungiert, ist er in Oberstockstall als Alchemist tätig. 1552–1561(?) folgt Urban v. Trenbeck. Im 18. Jh. ist hier der Verwaltungssitz des Passauer Domkapitels. Später in Staatsbesitz, folgt 1807 die Staatsgüterdirektion, 1860–1869 die Österr. Nationalbank. 1869 gelangt der Besitz schließlich an die Fam. Salomon. Heutiger Eigentümer ist Fritz Salomon.
Text G.R., T.K., K.Kü.
Lage/Baubeschreibung Die Schlossanlage liegt ca. 1 km nordöstl. von Kirchberg am Wagram, am südl. Ortsrand von Oberstockstall, unmittelbar an der nach Kirchberg am Wagram führenden Ortsdurchfahrt. Das Schlossareal, auf das der Ortsanger Bezug nimmt, liegt in mäßig erhöhter Lage auf einem flachen Geländesporn am orographisch rechten Ufer des Gießbaches. Die Herrschaftsgeschichte und Baugeschichte von Oberstockstall führen die besonders im Weinviertel vielerorts schwierige Abgrenzung von profanem Herrschaftssitz und kirchlichen Amts- und Wirtschaftsgebäuden vor Augen: Das gesamte, NNW-SSO orientierte Schlossareal (zur Vereinfachung wird im Folgenden von einer N-S-Orientierung ausgegangen) erstreckt sich über eine Gesamtfläche von rund 150 x 60 m. Der im N situierte Wohnbereich der Anlage wird durch die in der S-Hälfte angelegten Stallungen und Remisen, wohl großteils ab dem 19. Jh. entstanden, wesentlich reduziert. Das Schloss selbst ist eine 1–3-gesch., 3-flügelige Anlage, die sich zum südl. Wirtschaftsbereich öffnet. Der westl. Haupttrakt endet südl. mit einem quergestellten, bemerkenswerten Profan- und Sakralbau-Ensemble, welches die älteste erhaltene Bausubstanz der Anlage bildet. Markanter Blickfang ist die zur Gänze vor die hofseitige Baulinie des W-Traktes tretende Kapelle. Der rund 11,80 x 6,60 m große Sakralbau wird außen durch schlanke, gestufte Strebepfeiler und hochreichende Lanzettfenster gegliedert, im Inneren durch Blendarkaden und den Vorlagenapparat des Kreuzrippengewölbes. Dieses gliedert den rechteckigen Bau in 3 Joche, wobei die Gewölbefiguration des östl. Joches einen 5/8-Schluss imitiert. Div. Befunde, u. a. Reste der ehem. Zugangssituation, erlauben die Rekonstruktion einer heute abgebrochenen W-Empore. Die Kapelle datiert nach Seebach um 1310/20, 1327 wird sie im Testament des Domherrn Rudger bereits erwähnt. Der Bau besitzt eine Fülle ausgeprägter und charakteristischer Detailformen der Erbauungszeit, darunter 2 waagrecht angeordnete Sichtöffnungen, die das W-Portal flankieren. Der Innenraum zeigt bereits stark beschädigte Reste einer Malereiausstattung des 15. Jhs. Das steile Satteldach trägt im W einen hölzernen, zwiebelhelmgekrönten Dachreiter. An die Kapelle schließt westl. ein ca. 20 x 10 m großer Rechteckbau profaner Funktion an, der im S mit dem Sakralbau fluchtet und im W stark gegenüber dem Schlosstrakt vortritt. Die aufgehenden Mauern des heute als "Schüttkasten" angesprochenen Baues schließen unverzahnt an die Kapelle an, doch dürfte der sichtlich sekundär errichtete Bau verschiedenen Befunden zufolge auf nicht mehr zur Gänze erschließbare Vorgängerbauten zurückgehen, die zudem mglw. die W-Mauer der Kapelle als Fundament nutzten. Entsprechend ist mglw. auch die gequaderte NW-Ecke eines kleineren, älteren Baues innerhalb der O-Hälfte des Baues zu deuten. Auf verschiedene Vorgängerbauten weist auch die Nennung der Kapelle von 1327, die bemerkenswerterweise in den Hof des Pfarrhofes gebaut wurde. Die wohnlich-repräsentative Ausstattung des Vorgängerbaues zeigt sich anhand mehrerer Details. Unmittelbar westl. der Kapelle weisen 2 in der S-Mauer angelegte, hochrechteckige Fensteröffnungen mit Mittelpfosten und profilierten Gewänden auf einen höherrangigen Innenraum. Westl. benachbart ist die von einem gekuppelten Überfangbogen gerahmte mehrteilige Fensteranlage einer hölzernen Wohnstube erhalten, die anhand weiterer Befunde mit einer Größe von rund 5,20 m im Quadrat anzugeben ist. Zugesetzte trichternde Öffnungen in der S- und W-Mauer deuten auf eine weitere, etwas größere (vermutl. auch jüngere) Stube in der SW-Ecke des Baues. Eine ehem. von der NW-Ecke nach W ablaufende Mauer mit den Gewänderesten (mit Balkenschub) einer spätmittelalterlichen Türe und eine benachbart in der N-Mauer sichtbare, heute zugesetzte Türe lassen eine urspr. größere Ausdehnung und eine unterschiedlich beschaffene Disposition der spätmittelalterlichen Anlage vermuten. Bemerkenswert erscheint, dass der spätmittelalterliche Kernbau und die Kapelle auf einer gegenüber dem Hof deutlich erhöhten Geländeterrasse liegen. Eine wesentliche Bauphase ist für die M. d. 16. Jhs. zu erschließen, nachdem der Passauer Domherr Christoph v. Trenbeck 1538 in den Besitz von Oberstockstall gelangte und ab 1548 mit dem Renaissanceumbau begann. Die Grundsubstanz des W- und N-Flügels ist dieser Zeit zuzuweisen, die heute relativ nüchterne, 1–3-gesch. Anlage erfuhr jedoch während des 17. Jhs. mehrfach Umgestaltungen und bis in die jüngste Zeit Adaptierungen zur Bewohnung und Nutzung. Der 3-gesch. W-Trakt ist heute Wohnsitz des Besitzers, er wird durch einen zentralen, hofseitigen Wendeltreppenturm erschlossen. Oberhalb des Einganges erscheint die Jahreszahl "1548". Der 2-gesch., wirtschaftlich genutzte N-Trakt erhält durch einen auf pfeilergestützten Bogenstellungen ruhenden, im Obergeschoß offenen Gang einen willkommenen Akzent. Ein 2-gesch. Torbau an der NO-Ecke mit gemalter Ortsteinquaderung erschließt den Hof, der 1-gesch. O-Trakt dient heute als Restaurant. Inwieweit die Schlosstrakte (weitere) Bauteile des Mittelalters integrieren, ist unbekannt. Der bislang vermutl. nur 1-gesch. Altbau erhielt in dieser Zeit ein weiteres Geschoß, die Aufstockung äußert sich in einem deutlichen Mauerrücksprung. Durch den unrestaurierten Zustand sind Reste der gemalten Ortsteinquaderung und entsprechender Fensterrahmungen sichtbar. Für Trenbecks alchemistische Tätigkeiten wurde in der SO-Ecke des "Schüttkastens" ein 2-gesch. Raum für Laborzwecke eingebaut. Dendrochronologische Beprobungen von Tramdeckenhölzern und Türstöcken des Schüttkastens erbrachten zwei Bauphasen, von der jene von 1549/52 mit den urk. überlieferten Neubauten unter Trenbeck übereinstimmt; eine weitere um 1596 könnte durch Schäden in Folge des Neulengbacher Erdbebens von 1590 ausgelöst worden sein. Zur Befensterung dieser Räume wurden tlw. die 2-lichtigen Sprossenfenster des 14. Jhs. in stark verändernder Weise herangezogen. Der später nur für untergeordnete Zwecke genutzte "Schüttkasten" erfuhr bis in das 19./20. Jh. starke Eingriffe, wobei die Befensterung der hölzernen Stube erneut stark zerstört wurde. 1980 beobachtete der Eigentümer eine Bodensenkung im Bereich der sog. "Sakristei", des ehem. im 16. Jh. eingebauten Labors. Eine noch in diesem Jahr eingeleitete Grabung (eine Nachgrabung fand 1993/94 statt) förderte die in eine Vorratsgrube des 14. Jhs. "entsorgte" Laboreinrichtung des 16. Jhs. zutage. Umfang und Geschlossenheit dieses Fundkomplexes lassen von einem Befund von internationaler Bedeutung sprechen. Eine daneben aufgedeckte Bestattung der Bronzezeit weist auf die Siedlungsgunst der Wagramterrasse hin. Ein repräsentativer Querschnitt der Funde ist heute in einem eigens geschaffenen kleinen Museum im Alten Rathaus in Kirchberg am Wagram zu besichtigen. Seitens des Eigentümers bestehen Pläne, den bislang mindergenutzten und unrestaurierten Altbau einer wirtschaftlich-kulturellen Nutzung zuzuführen.
Text G.R., T.K., K.Kü.
Erhaltungszustand/Begehbarkeit Bewohnte, bewirtschaftete und gastronomisch genutzte ehem. Schloss- und Gutshofanlage. Hof frei zugänglich.
Touristische Infrastruktur Parkplätze vor der Schlosseinfahrt. Das bewohnte und bewirtschaftete Schloss integriert bemerkenswerte Bauteile (Kapelle, Wohnbau) des frühen 14. Jhs. Als "Gut Oberstockstall" wird es als Restaurant der gehobenen Gastronomie genutzt. Als wissenschaftlich herausragend gilt der Fund einer Alchemisten-Ausstattung aus dem 16. Jh. in einem Nebenraum der Schlosskapelle. Ein bemerkenswerter Teil der Funde ist im "Alten Rathaus" in Kirchberg am Wagram museal zu besichtigen. Öffnungszeiten des Museums: jeden Sa 14–17 Uhr, darüber hinaus nach telefonischer Voranmeldung. Die Fundstelle im Schloss und die Kapelle sind – ggf. bei Anfrage – zu besichtigen.
Gasthäuser "Gut Oberstockstall" E. und F. Salomon im Schlosshof, GH Ehn in Oberstockstall, GH Heiß in Kirchberg am Wagram.
Literatur
  • Georg Binder, Die Niederösterreichischen Burgen und Schlösser (2 Bde.). Wien–Leipzig 1925 II, 61
  • Gerhard Reichhalter, Karin Kühtreiber, Thomas Kühtreiber (mit Beiträgen von Günter Marian, Roman Zehetmayer), Burgen Weinviertel (hg. v. Falko Daim). Wien 2005, 227 ff.
  • Georg Clam-Martinic, Österreichisches Burgenlexikon. Linz ²1992, 166
  • Dehio Niederösterreich, nördlich der Donau (hg. v. Bundesdenkmalamt). Wien 1990, 836
  • Richard Hübl, Geschichte der Marktgemeinde Kirchberg am Wagram. Hg. Marktgemeinde Kirchberg am Wagram. Kirchberg am Wagram 1993, 43, 50 f., 67 ff., 100
  • Manfred Jasser et al, Schlösser und Burgen im Weinviertel. Schriftenreihe Das Weinviertel 3 (hg. v. Kulturbund Weinviertel), Mistelbach 1979, 105
  • Karl Lechner, Der Tullner Bezirk zur Babenbergerzeit, Heimatkunde des Verwaltungsbezirkes Tulln 6. Die Geschichte des Bezirkes Tulln (hg. v. Arbeitsausschuß der Lehrerarbeitsgemeinschaft des Bezirkes Tulln). Heimatkalender des Bezirkes Tulln 1954, 35–74, 40 f., 54
  • Sigrid v. Osten, Das Alchemistenlaboratorium von Oberstockstall (Kirchberg am Wagram/NÖ). In: Falko Daim, Thomas Kühtreiber (Hg.), Sein & Sinn / Burg & Mensch. Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums N. F. 434, St. Pölten 2001, 315–347
  • Sigrid v. Osten, Das Alchemistenlaboratorium von Oberstockstall. Ein Fundkomplex des 16. Jahrhunderts aus Niederösterreich. Monographien zur Frühgeschichte und Mittelalterarchäologie 6 (hg. v. Falko Daim), Innsbruck 1998, 14 ff.
Stockstall. Bauphasenplan (2007) - © Plangrundlage: Martin Aigner, Gerhard Reichhalter. Baualter: Gerhard Reichhalter. Digitalisierung: Patrick Schicht
Stockstall. Bauphasenplan (2007)
© Plangrundlage: Martin Aigner, Gerhard Reichhalter. Baualter: Gerhard Reichhalter. Digitalisierung: Patrick Schicht